: Gummibärchen, des Wahnsinns fette Beute?
■ Die Bremer Hotline zum Thema Rinderwahnsinn wird eifrig genutzt / Jede Menge Anfragen auch bei der Hanse-Analytik, die feststellt, wo überall Rind drin ist
Thomas Gottschalk zittert und mit ihm die Väter und Mütter der Republik. Können Gummibärchen an BSE erkranken? Sind die kleinen grün-gelb-roten Kindergeburtagshelden in Wahrheit krankheitsübertragende Gelatinemonster?
Nach den ersten BSE-Fällen in der Bundesrepublik schlägt auch in Bremen die Panik hohe Wellen. Das Sorgentelefon, das hier seit vorgestern Auskunft gibt, steht jedenfalls nicht still. Peter Drewes, Veterinär beim Lebensmittelüberwachungsdienst, der am anderen Ende der Leitung sitzt, berichtet von besorgten Bürgerinnen und Bürgern, die sich längst nicht nur nach Fleisch erkundigen. Ob Milch sicher ist und wie es um die aus Knochen gewonnene Gelatine steht, wollen die Leute wissen. Und eigentlich kann man nur sagen: Nix Genaues weiß man nicht.
So viel ist sicher: „Gummibärchen kann man nicht auf BSE tes-ten“, bedauert Lothar Kruse von der Hanse-Analytik, einem zur Freiburger Gen-Scan Europe AG gehörigen Bremer Institut. Seit BSE ist man hier voll im Rennen. Das Labor kann die DNA verschiedener Tiersorten nachweisen. 350 Mark kostet eine solche Analyse und insofern gibt es außer Großkunden auch schon mal Aufträge vom „Typ allein stehende ältere Dame, die wissen will, ob Hundefleisch im Katzenfutter ist“, lacht Kruse. Jetzt aber sind sie mit dem ganzen Ernst des Rinderwahnsinns konfrontiert. Täglich erreichen die Firma Anfragen, ob in den Geflügeltortellini nicht vielleicht doch die bedenklich gewordene Rinder-DNA steckt. Verbraucherorganisationen wenden sich an das Institut genauso wie Futtermittelhersteller. „Uns rief aber auch eine stillende Mutter an, die wissen wollte, ob das Steak, das sie gegessen hat, über die Milch ans Baby verfüttert wird“.
So ganz versteht Kruse, der schon seit Jahren kein Rindfleisch mehr isst, allerdings nicht, warum die Angst vor BSE erst jetzt um sich greift. „Die Warenströme sind mächtig und die Schiebereien bei der Fleischindustrie kennt man auch.“ Er ärgert sich, dass nicht genug Geld in die Grundlagenforschung gesteckt wurde. Die jetzt in allen Bundesländern eingeführten BSE-Tests tragen seiner Meinung nach „aktionistische“ Züge. Auch die Altersgrenze, 30 Monate, ab der die Tests in Bremen durchgeführt werden, sei „relativ willkürlich“ gewählt. In Nordrhein-Westfalen untersucht man tote Rinder schon im Alter von 20 Monaten: So jung war das jüngste britische Tier, dem die Erreger nachgewiesen werden konnten. „Auch BSE ist nur eine Krankheit“, sagt der Biologe, „und die Konzentration der Erreger schwankt“. Alles, was man bisher wisse, sei, dass die Erreger extrem widerstandsfähig sind: „Die überleben alles, was in der Lebensmittelbranche üblich ist.“
Wie das Landesuntersuchungsamt hat sich auch die Hanse-Analytik den BSE-Test der Firma Biorad bestellt. Er gilt als der sensitivs-te, der auf dem Markt ist. Im Zuge der Maßnahmen, die der Krisenstab des Bundes angeleiert hat, werden nächstes Jahr schätzungsweise 1,1 Millionen Rinder auf Wahnsinn getestet. Bis jetzt müssen die Tiere dafür ihr Leben ausgehaucht haben, bevor der Veterinär mit einem Teelöffel Hirnsubstanz entnehmen kann. Die Tests zeigen das Ergebnis nach einem halben Tag an. Ein Durchlauf wird den Auftraggeber rund 100 Mark kosten, kann also im Prinzip auch von jedem Landwirt selbst veranlasst werden – vorausgesetzt, er lässt das Tier schlachten.
Viel leichter funktioniert ein anderer Test, der wohl bald von einiger Wichtigkeit sein wird: Wenn alles gut geht, so Lothar Kruse, kommt demnächst ein schlichter Teststreifen auf den Markt, der gentechnisch veränderte Pflanzen vor Ort und binnen weniger Minuten ermittelt. Dann können Bauern und Futtermittelher-steller wenigstens herausfinden, ob das als Tiermehl-Ersatz geplante Soja genetisch manipuliert wurde. Elke Heyduck
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