: Ein Herz für Grüne und für Doris
Bei der Haushaltsdebatte wärmt der Kanzler mit dem Bekenntnis zu Asylrecht und Biobauern die Seelen der rot-grünen Abgeordneten und greift die Union wegen ihrer nationalen Töne scharf an. Friedrich Merz: „Wir werden miserabel regiert“
von SEVERIN WEILAND
Nach dem Ende der Debatte, auf den Fluren des Reichstages, strahlte die bündnisgrüne Abgeordnete Claudia Roth. Die Worte des Kanzlers seien ein klares Bekenntnis zur rot-grünen Koalition gewesen. Die Freude der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses war begründet. Ausdrücklich hatte Gerhard Schröder sich zum Asylrecht bekannt. Unabhängig von einer gesteuerten Zuwanderung gebiete es allein die „Selbstachtung“ Deutschlands, Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren.
Schröder nutzte seine Rede zum Haushalt, um den durch die Rücktritte der vergangenen Wochen verunsicherten Koalitionären Mut zu machen. Ausdrücklich bedankte er sich für die „einmütige“ Unterstützung des Konsolidierungskurses in der Finanzpolitik. Dort, wo die Zustimmung in der SPD weniger einhellig ist, bei der Rentenreform, nahm sich Schröder der Kritiker an. Kern der Reform sei der Aufbau der privaten Altersvorsorge. Davor dürfe man nicht „flüchten“, wenn man auch über alles andere diskutieren könne.
Überraschend deutlich nahm Schröder zur BSE-Krise Stellung. Es sei ein Fehler, es bei der Aufdeckung und Bekämpfung der Seuche zu belassen. Vielmehr müsse man „weg von den Agrarfabriken“ kommen: „Wenn wir das jetzt nicht schaffen, werden wir es nie schaffen.“ Obwohl Schröder Schuldzuweisungen ausdrücklich ablehnte und sich damit schützend vor Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke stellte, war das Signal deutlich. Schließlich hatte die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer erst vor wenigen Tagen öffentlich die Bevölkerung aufgerufen, Fleisch vom Biobauern zu essen. Vorangegangen war ein Streit zwischen ihr und Funke über den Umgang mit der Krise. Und schließlich galten des Kanzlers Worte wohl auch Ehefrau Doris Schröder-Köpf, die sich in einer Bild-Kolumne besorgt über den inneren Zustand von Tee- und Leberwurst geäußert hatte.
Zum Ende seiner Rede wusste Schröder auch die sozialdemokratische Seele zu streicheln. Dabei griff er frühere Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel über das gebrochene Verhältnis der SPD zum Vaterland auf. In einem emotionalen Appell erinnerte er an die „deutschen Konservativen“, die den „Verführungen des Nationalismus“ erlegen seien, während Mitglieder seiner Partei im Faschismus ermordet worden seien. Die Union betreibe eine „Spaltung der Gesellschaft entweder aus historischer Unkenntnis oder politischer Dreistigkeit“.
Friedrich Merz, der Fraktionschef der Union, konterte: Die Abgeordneten von CDU und CSU seien nicht die „deutschen Konservativen“, schon gar nicht die Rechten, sondern „Parteien der Mitte“. Im Übrigen sei vor 55 Jahren in Berlin die CDU auch von Männern und Frauen gegründet worden, die kurz zuvor noch im Konzentrationslager gewesen seien. Merz wandte sich vor allem gegen den Versuch des Kanzlers, die Union als Schwarzmaler darzustellen. Dessen Methode, die Kritik an der Regierung als Kritik am Volk darzustellen, „machen wir nicht mit“. Merz räumte zwar ein, dass es in Teilbereichen des Arbeitsmarktes Verbesserungen gebe, insgesamt aber sei der Rückgang der Arbeitslosen auf demografische Entwicklungen zurückzuführen: ältere Arbeitslose würden zu Rentnern, jüngere dennoch nicht in Beschäftigung gebracht. Wo Schröder die Union und die FDP aufgefordert hatte, sich über die Konjunkturdaten und den Arbeitsmarkt „ein wenig mitzufreuen“, blieb Merz bei seinem Schlusswort: „Wir sind ein prima Land, aber werden miserabel regiert.“ An dieser Stelle lachte Schröder besonders lange.
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