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„Gallisches Dorf“ in der Gesundheitslandschaft

■ Um in Zukunft bestehen zu können, brauchen Bremens Kliniken mehr Wettbewerb / Mit dem neuen Vergütungssystem drohen auch Schließungen, meinen Experten

Mit der Fallpauschale als lei-stungsbezogene Vergütung steht Kliniken in Deutschland ab 2003 eine Revolution ins Haus (siehe Kasten). Um sich dafür zu wappnen, versucht das Krankenhaus Links der Weser schon jetzt, ambulante Ärzte anzubinden. Über die mögliche Entwicklung der Krankenhäuser in Bremen sprach die taz mit Hans-Georg Güse, ehemals Anästhesist, inzwischen Berater für Krankenhäuser in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein.

taz: Was kommt auf Kliniken zu?

Hans-Georg-Güse: Grundsätzlich befinden wir uns an einem Wendepunkt von der sicheren Finanzierung weg zum Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander und der Krankenhäuser mit niedergelassenen Ärzten. Es ist zu erwarten, dass mit den Fallpauschalen die Arbeitsabläufe in den Kliniken rationalisiert werden müssen.

Was droht?

Defizite drohen und massive Auseinandersetztung, wer die Defizite trägt. Durch die neuen Fallpauschalen werden insbesondere die Krankenhäuser in Ballungsgebieten ohne feste Klientel bedroht.

Was können Krankenhäuser tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Sie müssen Wege finden, um mit ihren Budgets auszukommen. Denn mehr Ausgaben für Krankenhäuser wird sich die Gesellschaft nicht leisten wollen, und der Druck der Krankenkassen wird noch zunehmen. Dann steht aber auch an, defizitäre Kliniken dicht zu machen. Bis zu zehn Prozent der Krankenhäuser wären davon betroffen.

Geht das Krankenhaus Links der Weser den richtigen Weg, wenn es ambulante Ärzte anbindet?

Ja. Die anderen Krankenhäuser werden ähnliche Projekte fahren müssen. Denn grundsätzlich muss die Trennung von ambulant und stationär im Interesse der Patienten aufgehoben werden. Aber: Was der eine daran verdient, fehlt bei den anderen. Einer wird dabei immer verlieren: Die Krankenhäuser oder die niedergelassenen Ärzte. Wer, ist noch völlig unklar.

Was raten Sie den Klinik-Chefs?

Krankenhäuser müssten sich sowohl im Wettbewerb als auch im Angebot unersätzlich machen. Und das Angebot muss preiswert sein. Viele Leistungen werden von den niedergelassenen Ärzten, die schon länger betriebswirtschaftlich denken müssen, schneller und billiger gemacht. Die Krankenhäuser müssen sich spezialisieren, damit die Prozesse routinierter und wirtschaftlicher ablaufen. Operationen, die man nur dreimal im Jahr durchführt, müsste man dann „aussortieren“.

Wie stehen die Bremer Krankenhäuser eigentlich da?

Man bekommt den Eindruck, wir leben hier in einem gallischen Dorf. Vieles bleibt hier unter der Decke und der Wettbewerb ist relativ soft. Aber je weniger Konflikt, umso weniger Angst, umso weniger Bewegung ist da. Für vieles gibt es anderswo schon Modelle. Wir gucken nur nicht hin – oder nur von der St. Jürgen-Straße bis zum Krankenhaus Links der Weser und zurück.

Muss man sich auch in Bremen auf Krankenhausschließung einstellen?

Ich glaube nicht, dass die Politik in Bremen ein Krankenhaus dicht machen würde. Dafür gibt es in der Politik zu wenig Konfliktbereitschaft mit Bevölkerung und Krankenhäusern. Trotzdem könnte hier jedes Krankenhaus die Funktion der anderen Krankenhäuser mit übernehmen. Das einzige richtig sichere Krankenhaus wäre die St. Jürgen-Straße, das immer als das zentrale Krankenhaus gehandelt wird. Ich unterstelle, dass die Politik dem Konflikt aus dem Wege geht, weil man sich damit nur unbeliebt macht. Aber das Krankenhaus, das als erstes richtige Defizite aufbaut, bekommt ein Problem. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wird es spannend.

Liegt im gallischen Dorf aber nicht auch eine Chance?

Grundsätzlich könnte Bremen neue Modelle entwickeln, zum Bespiel für Kooperationen im stationären und ambulante Bereich. Eben weil wir ein relativ abgegrenztes und überschaubares Gebiet haben, wo Kommunikation herrscht und die Wege kurz sind. Aber dann wird es auch Verlierer geben. Und da will niemand ran.

Fragen: Dorothee Krumpipe

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