: Zwei Weltkriege an Bord verbracht
Premiere von Gordian Mauggs Dokumentation „Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert“ ■ Von Susie Reinhardt
Seeleute, die Deck schrubben, mit heißem Teer Schiffsplanken versiegeln, Taue spleißen, über Kombüsenfraß meckern und ihr berühmtes Garn spinnen. Mitten in der spritzenden Gischt im Zeitraffer ein Schiffsjunge mit einem Fotoapparat. Regisseur und Drehbuchautor Gordian Maugg (Der Olympische Sommer, Die Kaukasische Nacht) erzählt mit Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert in eindrucksvollen Bildern aus einer anderen Zeit die Geschichte dieses Seemannes und Abenteurers, der im Jahre 1900 in Elsfleth geboren wurde.
Die Reise beginnt im Jahre 1914. Gegen den ausdrücklichen Rat seiner Mutter heuert Hans Warns auf dem Veermaster „Herbert“ an. Bevor er an Bord geht, überredet der Junge seine Mutter, ihm einen Fotoapparat zu kaufen. Die erste Fahrt geht nach Chile, Salpeter für das Deutsche Reich holen. In sieben Monaten will Hans zurück sein, aber als die „Herbert“ nach 50 Tagen Kampf gegen die See bei Kap Horn in Chile ankommt, beginnt Deutschland den Ersten Weltkrieg. Das Schiff wird beschlagnahmt und die Mannschaft steht unter Arrest. Hier und später in Deutschland wird für den Schiffsjungen Hans Warns die Fotografie, später das Filmen, zur Leidenschaft.
Der Film schildert das spannende Leben von Hans Warns mit dessen Originalaufnahmen. Wo die nicht ausreichten, wurden Szenen, zum Teil an Originalschauplätzen, aufwändig nachgestellt. Dazu kommen Interviewaufzeichnungen mit dem 1993 verstorbenen Seemann selbst sowie Fotografien aus seiner Sammlung: Schnappschüsse vom Alltag an Bord, der Seelöwenjagd, dem Besuch alter Inkastätten und den zarten Anfängen in Sachen Liebe.
Mit der Mischung aus Dokumentarmaterial und Nachstellungen, begleitet von Warns' sparsamen Kommentaren, gelingt Maugg ein fesselndes Zeitzeugnis. Der Film begleitet Warns auf seinem Weg und bezieht dabei einen durchaus politischen Standpunkt – er zeigt Deutschland im Führer-Wahn: Ein Leutnant, der „beide Beine für den Führer“ verloren hat, wird im einmontierten NS-Propagandafilm vorgeführt, voller Stolz auf das Stück Metall auf seiner Brust, genannt Eisernes Kreuz. Warns indes fährt für die deutsche Kriegsmarine, durchbricht die Seeblockade nach Norwegen – und versenkt schließlich die inzwischen durch die Alliierten beschlagnahmte „Herbert“. Daneben gibt es auch heitere Szenen aus dem Eheleben in Elsfleth, von der resoluten Wilma und den Kindern. Aus Originalbildern und nachgedrehtem Material ergibt sich ein rundes und spannendes Ganzes. Cutterin Monika Schindler erhielt für diese Arbeit übrigens das Filmband in Gold.
Hans Warns – mein 20. Jahrhundert ist das Porträt eines Menschen, der vom Reisen besessen ist. Und nicht zuletzt eine Dokumentation über Deutschland während des Faschismus und zwei Weltkriegen.
Premiere in Anwesenheit des Regisseurs sowie mit maritimer Verlosung und Miniatur-Segel-Ausstellung: Do, 7.12., 20 Uhr, Zeise; weitere Vorstellungen: 8. - 13.12., 20 Uhr; 9., 10., 11., 13.12. zus. 17.30 Uhr, Zeise; 10.12., 21.15 Uhr; 11.12., 17 Uhr; 13. + 14.12., 19 Uhr, Metropolis; außerdem Gordian Mauggs Die kaukasische Nacht (1996): 8. + 9.12., 17.30 Uhr, 10.12., 11 + 15 Uhr, Zeise
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