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Extrawurst für Schlesier

Im Haushalt 2001 sollen Vertriebenenvereine mehr Geld aus dem Landesetat bekommen – im Gegensatz zu vielen Institutionen freier Träger, die sparen müssen

Trotz aller Sparmaßnahmen, die im nächsten Jahr die freien Träger treffen, sollen die Vertriebenenverbände nicht weniger, sondern mehr Geld aus der Landeskasse bekommen. Zu den 287.000 Mark institutionelle Förderung, die genau wie in diesem Jahr fließen sollen, kommen 54.000 Mark Projektgelder für die „Förderung kultureller Aktivitäten“ hinzu. Hiervon werden etwa das Erntedankfest der Landsmannschaft Schlesien, eine Musikveranstaltung der Oberschlesischen Volkstrachtengruppe und der Ankauf der Publikation „Donauschwäbisches Unterrichtswerk“ bezahlt.

Mit dieser zusätzlichen Förderung macht die Landesregierung eine ganz andere Politik als die Bundesregierung. Seit dem Amtsantritt des Bundesaussiedlerbeauftragten Jochen Welt (SPD) wurde die gesamte institutionelle Förderung für die Vertriebenenverbände erst abgesenkt und inzwischen vollständig gestrichen. Sein Amtsvorgänger Horst Waffenschmidt (CDU) hatte den Schwerpunkt auf die Volkstums- und Trachtenpflege gelegt. Welt glaubt, anders als Waffenschmidt, nicht an die ethnonationalen Bindungskräfte und die Bedeutung der Vertriebenenverbände für die Integration der Spätaussiedler. Nicht wolgadeutsche Trachtenabende, sondern wohnortnahe Jugendprojekte werden gefördert, um Aussiedler zu integrieren.

Der Berliner SPD-Haushaltsexperte Harald Ehlert vermag dennoch keinen Widerspruch zwischen der Bundes- und der Landespolitik zu erkennen. „Die 54.000 Mark Projektgelder für Brauchtumspflege sind keine politische Schwerpunktsetzung, sondern eine gesetzliche Mindestanforderung nach dem Bundesvertriebenengesetz.“ Immerhin, so Ehlert, seien die Zuwendungen für die Vertriebenenverbände im Jahre 2000 gegenüber 1999 um ein Drittel heruntergefahren worden. Da sei eine Aufstockung gerechtfertigt.

Dem widerspricht die Opposition. Für den PDS-Haushaltspolitiker Marian Krüger ist es „beschämend, dass unter einer SPD-Sozialsenatorin die Vertriebenenverbände gegenüber anderen freien Trägern privilegiert werden, die im Durchschnitt 5 Prozent ihrer Gelder im nächsten Jahr gestrichen bekommen“. So werde etwa das Besuchsprogramm von NS-Opfern in Berlin um 100.000 Mark gekürzt.

Die Grünen-Abgeordnete Camilla Werner fordert, die institutionelle Förderung für die Vertriebenenverbände in eine für die Integration der Aussiedler bestimmte Projektförderung umzuwandeln und die Kulturgelder ersatzlos zu streichen. Der Berufung auf eine gesetzliche Mindestanforderung kann sie nicht folgen. Es liege kein Gerichtsurteil vor, das die Landesregierung dazu verpflichte, mehr Geld auszugeben als in diesem Jahr. Der Sprecher der Sozialverwaltung, Klaus-Peter Florian, hält die Gelder für zulässig: Das Land müsse seinen gesetzlichen Anforderungen nachkommen. MARINA MAI

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