piwik no script img

besucher beim prozessauftakt

„Dich wird der Fritz Teufel holen“

Die Wut vieler ehemaliger Freunde und Weggefährten auf den Angeklagten Tarek Mousli ist groß. Doch nur wenige der etwa 70 Besucher, die gestern zum Prozessauftakt ins Kammergericht gekommen sind, wollten diese öffentlich äußern. Deshalb wirkte der Mann, der mit einem Transparent vor dem Kammergericht stand und wenig Beachtung fand, wie ein einsamer Rufer in der Wüste.

„Tarek halt’s Maul, sonst wird dich der Fritz Teufel holen“, stand auf dem Transparent, dessen Rückseite irgendwann mal für eine Anti-Raketen-Demo genutzt worden war.

Interesse am Prozessgeschehen zeigte der 38-Jährige, der Tarek Mousli aus den 80er-Jahren kennt, nicht. „Ich habe keine Neugierde auf diesen Ort. Das richtet sich selbst.“ Und: „Ein Gerichtssaal ist der falsche Ort, um aus der Perspektive der autonomen Bewegung zu kommunizieren“, sagte der Mann aus Schöneberg, der sich selbst als „jungen Kommunisten“ und nicht als „Altautonomer“ sieht. „Freiheit, Glück und Emanzipation können nicht durch Geschichtenerzählen im Gerichssaal passieren.“ Doch zwei Fragen würde er zu gerne von dem Angeklagten beantwortet haben: „Warum schwärzt er Genossen an? Und warum ist er ein dummes Schwein geworden?“

Eine 60-jährige Krankenschwester eines Kreuzberger Praxiskollektivs war eine der wenigen, die sich vor Prozessbeginn gegenüber der Presse äußerte. Für den Prozess hatte sie sich eigens frei genommen und ein Plenum platzen lassen.

Sie sprach aus, was viele denken: „Tarek ist der größte Verräter, den ich mir vorstellen kann“, sagte sie mit Tränen in den Augen. Trotz ihrer Abscheu – „Ich bin dermaßen entsetzt, dass ich die kalte Wut kriege“ – wollte sie „mit eigenen Ohren hören, wie der Staat und auch die Presse damit umgehen“. Das Verhalten des Angeklagten bezeichnete sie als „moralisch grauslig“.

Ein Altautonomer zeigte sich ebenfalls „empört“ darüber, dass Tarek Mousli „den engsten Freundeskreis denunziert und auf die Anklagebank gebracht hat“. Mousli habe „die politische Sache, für die er selbst einmal gestanden hat, verraten“.

Ein Mann mit Zwirbelbart erklärte den Grund seines Erscheinens mit einem kurzen Satz: „Mousli war der Karate-Trainer meiner Tochter, mehr will ich nicht sagen.“  B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen