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Sentimental im Dämmmerlicht

■ Leicht nörgeliges Hamburg-Buch mit schönen Fotos

Also, zuerst glaubt man ja an ein Versehen. Vermutet, dass der Band Hamburger Impressionen (Fotos: Thomas Radbruch; Texte: Dirk Schümer) unabsichtlich so latent ironisch ist. Denn es fängt ganz konventionell an, das biederblaue Buch: „Warum Hamburg schön ist – das wissen freilich nur die wenigsten zu definieren“, schwadroniert Schümer über die Hansestadt, von der erlesene, kaum kitschige, oft interessante Ansichten präsentiert werden.

Dass man die Stadt 1200 mühevoll in den Schlamm gerammt habe und dass man, wenn man ihr heutiges Outfit beurteile, diese Urzeit-Mühen bedenken müsse, sagt er fast entschuldigend. Hinzugekommen sei die Neigung der Hamburger, sich Kulissen zu zimmern, immer schön am Wasser entlang, wo man allüberall so adrett mit Spiegelungen spielen kann.

Dann allerdings wird entfleddert; die städtischen Gebäude seien unattraktiv, nörgelt der Autor, das Opernhaus sei hässlich, der mittelalterliche Kirchturm abgerissen und die Alster bloß ein breiter Bach. Hin und wieder wird der Autor zum wilden Seebären, wenn er über die Bemühungen der Alster-„Badewannenkapitäne“ berichtet, wissend, dass er einen Nerv trifft, wenn er der Hamburger Manie geißelt, sich einen maritimen Anstrich zu geben.

Richtig schlimm wird's aber erst, wenn er die Landratten der Neigung bezichtigt, in der Övelgönner „Strandsimulation“ unter „skandinavisch hellem Dämmerlicht still und andächtig“ zu werden. Da weiß der Hamburger selbst schon genauer, dass er, und nur er allein, ein ausgekochter Skandinavienkenner ist – wenn auch tief im Herzen Dörfler geblieben: Er siedelt zwar in der Stadt und hat „Skandinavien fest im Blick“, fühlt sich aber im selbst geschaffenen Dorfidyll am wohlsten.

Tja, und manchmal fallen dem Autoren dann auch die Leiden der Hafen- (passt halt besser für ein Hamburg-Buch) Arbeiter ein, flugs wird erwähnt, dass deren Beruf ja eine ungeheure Mühsal bedeute, inzwischen zum Glück Maschinen vieles richten. Auch ein Schweißtriefender wird – aber nur von hinten – gezeigt; lieber sind dem Fotografen da schon die morbiden Hafenbilder, denen sich zur Not noch was Nostalgisches abgewinnen lässt.

Ein merkwürdig unentschlossenes Buch, das wohl eher des Texters ambivalentes Verhältnis zur Hansestadt demonstriert, als Essentielles über Hamburg zu sagen, das er mal lobt, mal benörgelt, um sich dann gleich aufs – hier wohl immer salonfähige – Bekritteln zugereister Landratten zurückzuziehen ... Petra Schellen

Thomas Radbruch: Hamburger Impressionen. Verlag Die Hanse 2000, 120 Seiten, 58 Mark.

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