: A Real Nowhere Man
Am John-Lennon-Gymnasium wissen alle etwas über den Namenspatron, doch das Herz schlägt für HipHop
Dambi geht in die achte Klasse und hat eine klare Meinung von John Lennon: „John war nett zu den Menschen, aber wurde umgebracht.“ Die Lieder der Beatles finde er „ganz gut“, doch CDs besitzt er keine. Eigentlich hört Dambi HipHop. Am John-Lennon-Gymnasium kennen alle den Namenspatron, aber die Leidenschaft schlägt für andere.
Inga ist schon in der dreizehnten Klasse und kennt sich mit den Beatles besser aus. Sie weiß viel über seine familiären Umstände: „John hatte eine schwere Kindheit, und Yoko Ono soll so ein Mutterersatz für ihn gewesen sein. Die hat den ganz schön kontrolliert.“ Und auch der Drogenkonsum ist ihr bekannt: „Die Beatles haben viel gekifft, hatten immer einen Joint dabei.“
Der 18-jährige Stefan findet „die Musik ganz in Ordnung“, weil die Beatles eine „wilde Zeit“ lebten. Viel anfangen kann er mit der Musik aber nicht. Seine Mitschülerinnen Maria und Jaqueline erzählen, dass viele in ihrer Klasse HipHop lieben. Sie finden die Red Hot Chilli Peppers toll. Die Musik von den Beatles sei aber „recht nett“ und John habe eine „super Brille“ gehabt.
Robert glaubt, er könne in dem Bereich nicht mit Wissen glänzen. „Die Musik der Beatles ist sehr schön. ‚Imagine‘ ist das beste Lied“, sagt der 17-Jährige. Allerdings sei ihm die Musik auf Dauer zu stressig. Er hört lieber Klassik oder Portishead.
Der Name seiner Schule ist ihm egal. Vorher war er auf dem Käthe-Kollwitz- und dem Schliemann-Gymnasium. John Lennon sage nichts über die Qualität der Schule aus. Das finden auch Jonna und Jana, die wenig Leute kennen, die die Beatles nicht mögen, aber trotzdem hören sie lieber Punkrock.
Jochen Pfeiffer, dem Direktor der Schule, fällt zu John Lennon als Erstes ein, dass seine Schule so heißt. Das ist nicht besonders orginell. Der Schulleiter war zunächst wegen der fehlenden akademischen Bedeutung gegen diesen Namen, der erst seit Mitte der Neunzigerjahre die Schule repräsentierte und damit den des sozialdemokratischen Arbeiterführers August Bebel ablöste. Pfeiffer kann jetzt aber gut mit dem Namen leben. Lennon sei durchaus ein Vorbild für die Jugend gewesen, was sein Individualismus oder sein politisches Engagement angehe, doziert er.
In einer Broschüre der Schule stehen viele Ordnungsmaßnahmen – die Lennon vielleicht das Leben an dieser Schule schwer gemacht hätten. Drei Werte seien, so Pfeiffer, Programm: Leistung, Weltoffenheit und ein freundliches Lernklima.
In der Vorhalle des Gymnasiums hängen in einem Projektkurs entstandene Plakate, die die Schüler über Lennon und die Beatles informieren sollen: Lennon liebte das Lustprinzip anstatt das Leistungsprinzip. Er missachtete Vorschriften, bekannte sich zum Drogenkonsum und besuchte häufig Prostituierte.
Wahrscheinlich ist für Pfeiffer auch deswegen der Schulname nur teilweise Programm. „Man sollte sich nicht daran aufziehen, dass Lennon Drogen nahm und kein treuer Ehemann war.“ Die Schule schätze ihn für seine Musik und seine positiven Eigenschaften.
Dann hätte die Schule auch gleich den Namen „Bärenmenü“ übernehmen können. Dies ist die Firma, die sich „in bewährter Weise um die Schülerspeisung“ kümmert und die mit dem einfachen Slogan wirbt: „Mit uns schmeckt die Schule einfach besser.“ ULF SCHUBERT
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