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Mercosur nutzt letzte Chance

Um sich für die Gespräche über die geplante Amerika-Freihandelszone zu stärken, bemüht sich die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft um mehr Integration

SÃO PAULO taz ■ Die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur ist auf ihrem 19. Gipfeltreffen endlich wieder vorangekommen – zum ersten Mal seit Beginn ihrer Dauerkrise im Januar 1999. Nach zweitägigen Verhandlungen einigten sich die Präsidenten der Mitgliedsländer Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sowie der assoziierten Staaten Chile und Bolivien im südbrasilianischen Küstenort Florianópolis am Freitag auf gemeinsame Konvergenzkriterien: Danach darf die Inflation von 2002 bis 2005 maximal 5 Prozent und die Verschuldung bis 2010 höchstens 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.

Die Krise hatte begonnen, als Brasilien seine Währung Real abgewertet hatte, ohne die Partner zu informieren. Da der argentinische Peso an den US-Dollar gekoppelt ist, kam das gesamte Währungsgefüge in eine bis heute nicht überwundene Schieflage. Erschwerend kam zuletzt hinzu, dass Beitrittskandidat Chile bilaterale Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA aufgenommen hatte. Dadurch sah Brasília seine Strategie durchkreuzt, den Mercosur zu stärken, um sich gegenüber den USA besser zu positionieren.

Diese drängen auf rasche Verhandlungen über eine Amerika-Freihandelszone (FTAA) von Alaska bis Feuerland: Statt 2005 soll diese schon 2003 zu Stande kommen. Widerstände aus Brasília kanzelte US-Unterhändler Richard Fischer als „kindisch“ und „verantwortungslos“ ab. Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso hält die ungleiche Liberalisierung des Welthandels für das größte Problem.

Steigenden Importen stünden in den USA und der EU immer höhere Zölle und Barrieren für Produkte aus den Ländern des Südens entgegen. Washington spekuliere auf neue Absatzmärkte, bessere Investitionsbedingungen, die Sicherung von Patenten und die Liberalisierung der Dienstleistungen. Gegenleistungen seien nicht in Sicht. „Sobald wir ungehindert Stahl, Orangensaft und Schuhe in die USA exportieren können, verhandeln wir sofort“, so Cardoso.

Dieses neue Selbstbewusstsein gefällt auch den Gewerkschaften, die die bisherigen Gespräche über die umfassende Freihandelszone als „undemokratisch“ ablehnen. Die mehr als 700 Gewerkschafter aus den Mercosur-Staaten, die sich ebenfalls in Florianópolis trafen, kritisierten die neoliberale Grundausrichtung ihrer Regierungen. Für besonders verwundbare Sektoren müsse es Sozialfonds geben. „Wir wollen mehr Transparenz“, sagt Rafael Freire vom brasilianischen Dachverband CUT. Über die Teilnahme an der FTAA solle per Volksabstimmungen entschieden werden.

„Erfolg zeigt sich nicht in den Beschlüssen, sondern in der Wirklichkeit“, so der Soziologe und Globalisierungskritiker Emir Sader über das Mercosur-Treffen. Die jetzigen Bekenntnisse zur Integration könnten zu spät gekommen sein, „denn der FTAA-Zug ist bereits abgefahren“. Nun möchte die südamerikanische Linke verstärkt mobilisieren. Ende Januar sollen auf dem ersten „Weltsozialforum“ im südbrasilianischen Ort Porto Alegre alternative Strategien diskutiert werden, und das FTAA-Ministertreffen in Buenos Aires zwei Monate später „machen wir zu unserem Seattle“, verspricht Freire.

GERHARD DILGER

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