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Unfall der „Erika“ unvermeidbar

Öltanker Erika war eine dünnhäutige Rostlaube, die brechen musste. Andere Faktoren unwesentlich. TotalFina ist strafrechtlich nicht verantwortlich. Frankreich fordert verschärfte Sicherheitsbedingungen auf See. Treffen der Verkehrsminister

von DOROTHEA HAHN

Es war eine „unvermeidliche Katastrophe“. So steht es schwarz auf weiß in dem Untersuchungsbericht des französichen Verkehrsministeriums über den Untergang der „Erika“. Der italienische Tanker unter maltesischer Flagge, auf dem eine indische Belegschaft ein französisches Mineralölprodukt transportierte, war am 12. Dezember vergangenen Jahres in zwei Teile zerbrochen. Ein großer Teil der Öl-Ladung hatte sich anschließend über die bretonischen Küsten ergossen und nebenbei Hunderttausende von Seevögeln getötet.

Ein Jahr nach der Katastrophe bestätigt der am Montagabend in Paris veröffentlichte Bericht des Büros zur Unfallforschung – BEA – die schlimmsten Befürchtungen: Die „Erika“ war eine Rostlaube, deren miserabler Sicherheitszustand lediglich durch Farbe kaschiert wurde. Georges Tourret, Direktor des BEA: „Unabhängig von der Route und der Geschwindigkeit hätte nichts die Erika daran hindern können, in zwei Teile zu brechen.“

Das relativ hohe Alter der 1975 auf einer japanischen Werft konstruierten „Erika“ erklärt nicht allein diesen Zustand. Laut BEA stehen vor allem die „unzulängliche Wartung und die damit in Zusammenhang stehende schnelle Rostentwicklung am Ursprung der Strukturschwäche.“ Das Schiff brach an der Stelle auseinander, wo sich der Rost am tiefsten vorgenagt hatte und wo die Metallwände bis zu zweimal dünner als normal geworden waren: In der Mitte. Alle anderen Faktoren, die zu der Katastrophe geführt haben mögen, nennt der BEA-Bericht „relativ zweitrangig“. Unter anderem die Tatsache, dass der indische Kapitän Karun Mathur zu spät Seenot gefunkt hat und dass die französischen Seefahrtsbehörden möglicherweise nicht schnell genug den Ernst der Lage erfasst haben.

Der BEA-Bericht gipfelt in Empfehlungen zur Vermeidung derartiger Katastrophen. Sie richten sich unter anderem an die Adresse der Verkehrsminister der EU-Länder, die heute und morgen in Brüssel zusammentreffen, um über verstärkte Sicherheitsregeln für die Hochseetransporte zu diskutieren. Mehrere von ihnen – darunter die aus Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark – lehnen eine europaweite Verschärfung der Sicherheitsbedingungen zur See ab. Frankreich hingegen, vor dessen Atlantikküste ein großer Teil der europäischen Gefahrentransporte in Sichtweite vorbeiführt und das ob dieser „privilegierten“ geografischen Lagen in den vergangenen 20 Jahren ein knappes halbes Dutzend Giftkatastrophen zur See hatte, will die Regeln unbedingt verschärfen. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören ein europäisches Seefahrtssicherheitsbüro, verstärkte gemeinsame Kontrollen an Bord und die baldige Einführung einer Verpflichtung zu doppelbödigen Schiffen.

In seinem Bericht plädiert das BEA unter anderem für eine verstärkte staatliche Kontrolle der Kontrollgesellschaften. Außerdem stellt die Behörde fest, dass die „umweltschädlichsten Produkte auf den unsichersten Schiffen transportiert“ werden. Aus diesem Grund hält es das BEA für sinnvoll, dass die großen Mineralölkonzerne die Verwaltung der Transportschiffe wieder selbst in die Hand nehmen. Seit den 70er-Jahren hatten sie sich – von Shell über Elf bis zu BP und Total – ihrer eigenen Flotten entledigt und sie aus Kostengründen unter Billigflaggen ausgelagert.

Auf die inzwischen zehn Untersuchungsverfahren wegen der Erika-Katastrophe hat der BEA-Bericht keine unmittelbaren Auswirkungen. Ermittelt wird in Frankreich unter anderem gegen den Erika-Kapitän, gegen die italienischen Schiffseigentümer und die Kontrollgesellschaft „Rina“ sowie gegen die Seefahrtsaufsicht in Brest. Der Mineralölkonzern TotalFina, der die alte „Erika“ angeheuert hatte, ist aus dem Schneider. Strafrechtlich ist der Konzern, im ersten Halbjahr 2.000, die größten Gewinne seiner Geschichte verzeichnete, nicht verantwortlich.

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