: Wo nichts ist, da kann nichts werden
Weil sich Anwalt Hans-Ekkehard Plöger von zwei Kollegen im La-Belle-Verfahren beleidigt fühlte, hat er ein einzigartiges Verfahren gegen die beiden angestrengt. Die Beleidigung: Plöger habe nichts im Kopf, und das ließe sich sogar beweisen
von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA
Von Besinnung war zwei Tage vor dem heiligen Fest im Amtsgericht nichts zu spüren. Statt sich in Barmherzigkeit zu üben, musste das Gericht ein Spektakel austragen, das Anspruch auf Einzigartigkeit haben dürfte.
Die Beteiligten – die beiden Angeklagten und der Nebenkläger – sind allesamt Juristen. Auf der einen Seite saß Anwalt Hans-Ekkehard Plöger (63), der sich nicht nur als langjähriger Organisator des Juristenballs und als Hühnerzüchter einen Namen gemacht hat. Er verfügt auch über einen zweifelhaften Ruf als Nebenklagevertreter. So wollte er im Verfahren gegen Honecker ein Honecker-Double ausgemacht haben. Ihm gegenüber saßen Anwalt Rüdiger Portius, Vorsitzender der Berliner Strafverteidigervereinigung, und Anwältin Andrea Würdinger.
Diese beiden sollen, so der Vorwurf, Plöger beleidigt haben. Am 26. August 1999, dem 134. Verhandlungstag des Prozesses um den Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“, hatte Plöger als Nebenklagevertreter der Anwältin Würdinger, als diese ihm vorwarf, eine Frage um ihrer selbst willen zu stellen, vorgeworfen: „Dann können Sie ja besser in mein Hirn reinschauen als ich selbst.“ Daraufhin hatte Würdinger eine Antwort gegeben, die Plöger wörtlich nahm. „Da ist ja nichts.“ Portius wurde Beleidigung vorgeworfen, weil er hinzufügte, dass das beweisbar sei.
Als die Kontrahenten gestern zum zweiten Verhandlungstag antraten, bestand das Publikum erneut aus einer Vielzahl von Juristen, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Und sie kamen alle auf ihre Kosten bei dem Verfahren, das ursprünglich wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt, nach Plögers Beschwerde wiederaufgenommen, wegen fehlenden öffentlichen Interesses erneut eingestellt und nach einer Beschwerde Plögers wiederaufgenommen wurde. Als Würdinger zu 6.000 und Portius zu 9.000 Mark verurteilt worden waren, hatten sie Widerspruch eingelegt. Alle Versuche des Gerichts, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen, waren gescheitert.
Gestern zeigte sich deutlich, wieso die Fronten so verhärtet sind. Als die Verteidiger der Angeklagten Plöger „geistigen Mehltau“ im Sinne von „Trägheit im Geiste“ vorwarfen, konterte dieser mit „geistiger Euthanasie“ und holte sich Schützenhilfe beim ehemaligen Bundespräsidenten Heuss, der Juristen einst als „Speerspitze der Demokratie“ bezeichnet hatte. Und er drückte sein Bedauern aus, dass es das Duellieren als Art der Konfliktaustragung nicht mehr gibt.
Der Staatsanwalt, der sich „erschüttert“ über die Juristenfehde zeigte, forderte eine Geldstrafe von 6.000 Mark für Würdinger und 9.000 Mark für Portius. Begründung: Beide hätten zum Ausdruck gebracht, dass Plöger dumm sei. Auch der Vorsitzende Richter bedauerte ausdrücklich, dass sich sowohl Land-, Kammer- als auch Amtsgericht mit dem Fall beschäftigen mussten. Trotzdem sprach er die Angeklagten im Namen des Volkes frei.
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