Der Tod des sechsjährigen Volkan

■ Kampfhunde: Die schärfste Diskussion in Hamburg in diesem Jahr

Im Nachhinein war es, als hätten alle nur darauf gewartet, als wäre es unausweichlich gewesen, dass eines Tages ein Kampfhund ein Kind totbeißen würde. Ob dieser Zwangsläufigkeit waren die wahren TäterInnen schnell ausgemacht: Die PolitikerInnen, die zuvor versäumt hatten, die Haltung von Tieren an strikte Auflagen zu knüpfen. Als der Hamburger Senat im Juni nur zwei Tage nach dem Tod des sechsjährigen Volkan K. aus Wilhelmsburg die Hundeverordnung verschärfte, lautete die meistgestellte Frage: Warum erst jetzt?

Die übrigen Bundesländer glichen ihre Gesetze an die Hamburger Regelungen an. Die Hundeverordnung verhängt für Pitbullterrier, American Staffordshire und Staffordshire-Bullterrier einen strikten Leinen- und Maulkorbzwang. Die BesitzerInnen von Kampfhunden anderer Rassen können ihre Tiere zum Wesenstest schicken und dadurch von der Pflicht befreien lassen, stets angeleint und mit Maulkorb das Haus zu verlassen. Die Ordnungsämter, so eine weitere Regelung, schickten eigens dafür eingesetzte MitarbeiterInnen auf die Straße, die nach gefährlichen Hunden suchen und diese gegebenenfalls einziehen sollen.

Binnen weniger Tage war das Tierheim in der Süderstrasse gnadenlos überfüllt. Die Frage stand im Raum, ob als gefährlich geltende Hunde ihr Leben fortan im Zwinger verbringen müssen oder eingeschläfert werden – aber an neue HalterInnen, das stand von vornherein fest, werden sie nicht vermittelt.

Die Diskussion spaltete die Gesellschaft wie keine andere in diesem Jahr. Der Tierschutzverein polemisierte gegen die „Diskriminierung“ einzelner Hunderassen, die Rede war vom „systematischen Hundemord“. Als der Senat im Harburger Hafen eine Halle anmietete, in der seither gefährliche Hunde untergebracht sind, verstiegen sogenannte TierschützerInnen sich zu Begriffen wie „Vernichtungslager“ für Hunde und organisierten regelmäßige Mahnwachen davor.

Anfang Dezember dann eröffnete das Landgericht den Prozess gegen die BesitzerInnen der Kampfhunde „Zeus“ und „Gipsy“, die Volkan auf dem Schulhof einer Wilhelmsburger Grundschule getötet hatten. Dessen Eltern erschienen am ersten Tag bei Gericht. Sie erlebten einen Hauptangeklagten, der keinerlei Reue zeigte. Fast unberührt schilderte Ibrahim K., angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und seit dem Vorfall in Untersuchungshaft, wie die beiden Tiere im Blutrausch das Kind anfielen und vor den Augen der MitschülerInnen töteten. Seine 19jährige Freundin Silja W. dagegen, die wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist, weinte verzweifelt über den Tod von Vol-kan mit dessen Eltern im Gericht: „Ich bin schuld daran, dass ihr Kind nicht mehr lebt.“

Die beiden Angeklagten behaupten, ihre Hunde nicht abgerichtet zu haben. Eine Hunde-Sachverständige sagte hingegen aus, „Gipsy“ und „Zeus“ seien gut trainiert gewesen. Elke Spanner