: Mord im Auftrag des Geheimdienstes
Ein hochkarätiges Mitglieder der nordirischen Irisch-Republikanischen Armee hat jahrelang für den britischen Geheimdienst gearbeitet. Welche Informationen er geliefert hat, ist einigermaßen bekannt - nicht aber, wer er ist
DUBLIN taz ■ Wer ist „Steak Knife“? Belfasts Buchmacher nehmen Wetten auf die Identität des Mannes an. Fest steht, dass er ein hochkarätiges Mitglied in der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) ist und seit rund 15 Jahren für den britischen Geheimdienst arbeitet. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter mit dem Tarnnamen Martin Ingram beschreibt „Steak Knife“ als wichtigsten britischen Agenten in der IRA. Er ist so wichtig, dass der Geheimdienst sogar einen unbeteiligten Rentner ermorden ließ, um „Steak Knife“ zu schützen.
Der 67-jährige Francisco Notarantonio, ein Freund des Vaters von Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, war 1987 von der protestantischen Terrororganisation Ulster Defence Association (UDA) erschossen worden, weil sie ihn für einen IRA-Mann hielt. Die Falschinformation stammte von dem UDA-Mitglied Brian Nelson, der gleichzeitig Agent des britischen Geheimdienstes war. Nelson hatte erfahren, dass die UDA einen IRA-Mann umbringen wollte und sich dafür ausgerechnet „Steak Knife“ ausgesucht hatte. Nun gehörte es zu Nelsons Aufgaben, das Leben der Geheimdienstspitzel zu schützen. So wurde er vom Geheimdienst angewiesen, seiner Organisation stattdessen weiszumachen, Notarantonio sei das bessere Angriffsziel. Die Entscheidung, Notarantonio töten zu lassen, wurde auf einer Konferenz zwischen dem Geheimdienst MI-5 und dem militärischen Nachrichtendienst Force Research Unit (FRU) getroffen und von einem hochrangigen Armeeoffizier abgesegnet. Zur Zeit des Mordes zog die Armee ihre Einheiten aus dem sonst ständig überwachten Belfaster Viertel Ballymurphy zurück. Im Oktober ist ebenfalls in Ballymurphy Notarantonios Neffe Joseph O’Connor, der einer IRA-Absplitterung angehörte, von der IRA ermordet worden.
„Steak Knife“ hat sich, im Gegensatz zu den meisten anderen IRA-Agenten, Mitte der Achtzigerjahre freiwillig in einer Kaserne der britischen Armee gemeldet und seine Dienste angeboten. Die FRU hat eine Sonderabteilung eingerichtet, die sich ausschließlich mit den Informationen beschäftigt, die er liefert. Für seine Dienste erhält er 60.000 Pfund Sterling im Jahr, die auf ein geheimes Konto eingezahlt werden. Freilich hatte er bisher keine Gelegenheit, seinen Reichtum zu genießen, denn dann wäre sein Doppelleben aufgeflogen. Seine Bemühungen, die Agententätigkeit aufzugeben, sind vom Geheimdienst stets abgelehnt worden.
Offenbar hat „Steak Knife“ aber nicht nur Informationen geliefert, sondern ist vom Geheimdienst angewiesen worden, die IRA zu Anschlägen anzustiften, bei denen Unbeteiligte ums Leben gekommen sind, um die Organisation und ihren politischen Flügel, Sinn Féin, zu diskreditieren, so behauptet der frühere FRU-Mitarbeiter Martin Ingram. Er hatte seine Aussage vor einem Untersuchungsausschuss gemacht, der sich mit dem UDA-Mord an dem katholischen Rechtsanwalt Pat Finucane beschäftigt. Auch dabei hatte die FRU ihre Finger im Spiel. Ingram sagt, dass die FRU ihre Agenten benutzt hat, um unliebsame Leute durch die UDA ermorden zu lassen.
Ingram wird nun selbst bedroht. Sein richtiger Name und seine Adresse sind per E-Mail an verschiedene Zeitungen geschickt worden. Unterzeichnet war das Schreiben mit „Freunde der FRU“, Absender war der FRU-Mitarbeiter Pete Smith. Deshalb wurde Anklage gegen Smith erhoben, doch vor zwei Wochen stellte man das Verfahren auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft in London ein. Anonyme Anrufer legten Ingram nahe, seine Aussage zurückzuziehen und über „Steak Knife“ zu schweigen, wenn ihm sein Leben lieb sei. Ingram hat die Kooperation mit der Finucane-Untersuchung inzwischen aufgekündigt. „Ich habe meine Aussage bei der Untersuchung unter der Bedingung gemacht, dass man mir Schutz gewähren würde, sollte es gefährlich werden“, sagte Ingram. „Wenn sie jetzt Smith nicht vor Gericht stellen, um andere abzuschrecken, will ich mit der Untersuchung nichts mehr zu tun haben.“ RALF SOTSCHECK
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