die stimme der kritik: Betr.: Große Gefühle, große Menschen, große Buchstaben
Mehr als bloß irgendwas
Manchmal versagt einem die Stimme. Vor Trauer. Auch die Stimme der Kritik verstummt angesichts des tragischen Todes des kleinen Elefanten Kiri aus dem Berliner Zoo. Darum lassen wir heute andere sprechen. Menschen, die wissen, wie man richtig trauert. Wie man Trauer in Worte fasst. In aufrichtige Worte. Große Menschen verstehen sich auf so was. Große Menschen in Großbuchstaben wie JAN MEYER und WOLF-DIETER KRÖNING vom Berlin-Teil der Bild-Zeitung.
„Wenn man jemand ist, dem pure Liebe, reine Zärtlichkeit entgegenblüht, dann ist man mehr als bloß irgendwas: Dann ist man wichtig in der Welt“, steht in der ersten Spalte ihres herzzerreißenden Nachrufs auf Kiri, den „kleinen Trompeter“. „Und jetzt? Kein Frühling mehr, kein Sommer mit lustigem Wasserspritzen und Ohrenwackeln und Herumtapsen: alles vorbei.“
Nun ist WOLF-DIETER KRÖNING ja nicht irgendwer. Bzw. WOLF-DIETER KRÖNING ist mehr als bloß irgendwas. WOLF-DIETER KRÖNING ist Kulturchef bei Bild Berlin/Brandenburg. Und während wir uns noch wundern, dass es dort so etwas überhaupt gibt, erreicht uns das Angebot, von WOLF-DIETER KRÖNING zu lernen. Im Februar (am 6., bitte vormerken!) hält WOLF-DIETER KRÖNING in der Berliner Journalistenschule ein Seminar ab – über „Die Kunst des Boulevard“. Interessierte Boulevardfetischisten, die bereit sind, 400 Mark zu bezahlen, bekommen Antworten auf ihre drängenden Fragen: „Wie denken Boulevard-Journalisten, welche Mittel setzen sie ein, was wollen sie bewirken?“
Die vier Hunderter können wir uns sparen. Denn mit den Text „Kiri, du kleiner Trompeter – Im Elefanten-Himmel lernst du jetzt deinen Papa kennen“ offenbaren JAN MEYER und WOLF-DIETER KRÖNING mehr, als sie jemals in einer Lehrveranstaltung preisgeben könnten. Wie denken Boulevard-Journalisten? Sie denken einfach und schnell: Elefant – süß – tot – Kinder traurig – wir dabei. Welche Mittel setzen sie ein? Pathos, Schmalz sowie kursive und fett gedruckte Wörter. Was wollen sie bewirken? Dass wir nicht zu viel denken. Dass wir mehr fühlen. Dass wir glauben, Bild interessiere sich für das, was wir fühlen. Mit anderen Worten: Wenn man jemand ist, dem pures Geschwafel, reiner Blödsinn entgegenblüht, dann ist man mehr als bloß irgendwas. Dann ist man ein Bild-Leser. Unter Tränen: STEFAN KUZMANY
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