: Recht ist nicht, was Airbus nutzt
Mühlenberger Loch: Wirtschaftsbehörde ruft Oberverwaltungsgericht an. Ex-Bürgermeister von Münch verteidigt Baustopp ■ Von Sven-Michael Veit
Mit dem Mute der Verzweiflung geht die Wirtschaftsbehörde in die nächste Runde. Gestern reichte sie beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ihre Beschwerde gegen den Baustopp für die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs ein. Der mehr als 100 Seiten umfassende Schriftsatz erläutere „unsere Rechtsauffassung umfassend und detailliert“, so Behördensprecher Bernd Meyer. Sollte das OVG der Beschwerde allerdings nicht folgen, hätte der rot-grüne Senat keine Cance mehr, das „Jahrhundertprojekt A380“ in Hamburg zu realisieren. Mit einer Entscheidung des OVG ist frühes-tens in vier Wochen zu rechnen.
Der Stopp der Bauarbeiten im Elbebiotop, deren Beginn der Senat tags darauf hatte beschließen wollen, war am 18. Dezember in erster Instanz vom Verwaltungsgericht (VG) angeordnet worden. Es hatte die Klagen von zwei Anwohnern gegen die Erweiterung des Dasa-Werks in das Mühlenberger Loch hinein angenommen (taz berichtete). In dem Beschluss hatte das VG ein öffentliches Interesse an der Werkserweiterung verneint. Diese zur Teilfertigung des Super-Airbus A3XX – der inzwischen offiziell A380 heißt – notwendige Baumaßnahme diene lediglich den „privaten, unternehmerischen Zwecken“ des Airbus-Konzerns.
Zudem hatte das VG erhebliche Zweifel am Lärmschutz für die AnwohnerInnen geäußert sowie die Gefahr von Kollisionen mit Schiffen auf der Elbe thematisiert. Die Verlängerung der Landebahn nach Nordosten in den Hauptstrom hinein würde den A380 von Othmarschen aus zum Einschweben in sehr niedriger Flughöhe zwingen. Sämtliche „monierten Punkte“, so Meyer, seien in der Beschwerdeschrift „aufgegriffen“.
Gar nicht schmecken dürfte der Wirtschaftsbehörde, wie Hamburgs ehemaliger Zweiter Bürgermeister Ingo von Münch den Beschluss des VG bewertet. „Es gibt noch Richter in Hamburg“, die darauf achteten, dass „selbstverständlich das geltende Recht von allen Beteiligten, also auch von den Behörden, einzuhalten ist“, schreibt von Münch gestern in einem Gastbeitrag in der Welt. Denn noch gebe es keine gesetzliche Vorschrift, dass „Recht ist, was dem Bau des Riesen-Airbus nutzt“.
Der renommierte Staats- und Verfassungsrechtler von Münch war in zwei sozialliberalen Koalitionen bis 1993 für die FDP Zweiter Bürgermeister der Hansestadt sowie Kultur- und Wissenschaftssenator. Die Richterschelte von Politikern und Medien, das VG habe sich als „Arbeitsplatz-Killer“ betätigt, kann der Rechtsprofessor überhaupt nicht teilen. Im Gegenteil sollten Hamburgs Bürger dem Gericht „dankbar sein“, dass es vor allem „die Frage der Sicherheit des Flugverkehrs beim Landen des Riesen-Flugzeugs gründlich geprüft und mit beachtlichen Argumenten in Frage gestellt hat“.
Die Anwälte der Kläger sehen der nächsthöheren Instanz mit Gelassenheit entgegen. Das VG habe seinen Beschluss „äußerst sorgfältig begründet“, sagt Rechtsanwalt Peter Mohr. Er habe keinen Zweifel, dass diese Rechtsauffassung vom OVG bestätigt würde. Und falls nicht, so Mohr, „haben wir noch das eine und andere in petto“.
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