: „Mein Ding wäre das nicht“
Die ersten 244 Rekrutinnen sind gestern zum Dienst an der Waffe eingerückt. Und ihre Geschlechtsgenossinnen? Wollen im Zweifel höchstens in der Wäschekammer dienen oder die Wehrpflicht ganz abschaffen. Eine taz-Straßenumfrage in Berlin
Umfrage: NICOLE MASCHLER
Der jungen Frau, die vor dem Europäischen Gerichtshof die Öffnung der Bundeswehr erstritten hatte, ging es nicht ums Schießen, sondern um dieselben Karrierechancen, wie sie Männer beim Bund haben. Kathrin Kettner (20) gibt sich aggressiver. Sie will einen Job, in dem sie sich „austoben“ kann – Polizei oder Bundeswehr. Doch dann kamen die Kinder. „Für manche Männer gehören Frauen ja ohnehin ins Haus.“ Dass Frauen nun auch zum Bund dürfen, sieht Kathrin Kettner als „gewisse Gleichberechtigung“. Frauenfeindliche Sprüche von Soldaten, die die neuen „Kolleginnen“ nach einer internen Studie mehr als skeptisch erwarten, fürchtet sie nicht. Diese betrachteten Kasernen nun mal als ihr Terrain. „Das ist bei der Polizei nicht anders.“ Aber Kathrin Kettner ist optimistisch: „Mit den Jahren wird sich das ändern.“
Da ist sich Sabrina Pötschke (15) nicht so sicher. Sie selbst können die neuen Karriereaussichten nicht beeindrucken. „Mein Ding wäre das nicht, aber wenn Frauen dazu Lust haben.“ Sie will Hotelfachfrau werden. „Ich könnte auch niemanden mit der Waffe bedrohen, selbst wenn er mein ärgster Feind wäre.“ Wenn Sabrina zur Bundeswehr ginge, würde sie sich einen Job suchen, bei dem sie „nicht raus aufs Feld muss, zum Beispiel in der Wäschekammer“. Dabei hatten Zeitungen die Klägerin, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, noch als „Ikone der Frauenbewegung“, als „Kämpfernatur“ gefeiert. Und nun die Wäschekammer. Nun ja, bislang mussten Frauen sich eben mit einem Job als Ärztin, Sanitäterin oder Musikerin bescheiden. Doch auch bei der Bundeswehr brechen neue Zeiten an. Knapp 1.900 Frauen haben sich seit dem Sommer beworben, 244 von ihnen treten nun zum Dienst an – bei Heer, Luftwaffe und Marine.
Sandra Müller (15) hätte noch ein wenig Zeit, sich mit dem Gedanken Bundeswehr als Arbeitgeber anzufreunden. Schließlich geht sie erst in die neunte Klasse. „Da ist es noch ein wenig hin bis zum Berufseinstieg.“ Doch für die Gymnasiastin steht jetzt schon fest: Nach dem Abitur geht sie zur Polizei. „Ich will mich für den Einzeldienst in der Schutzpolizei bewerben, Verkehrskontrollen und so.“ Auch wenn in beiden Jobs Uniformen getragen werden – die Bundeswehr käme für sie trotzdem nicht in Frage. „Ich finde es aber gut, dass sie jetzt für Frauen geöffnet ist. Damit sind Frauen gleichberechtigter.“ Ähnlich wie manche Politiker sieht aber auch Sandra ein Problem darin, dass Männer zum Militär eingezogen werden, Frauen aber die Wahl haben. „Gerechter fände ich es, wenn man Freiwilligendienste für alle einführen würde – für Männer und für Frauen.“ Danach sieht es vorerst jedoch nicht aus: Die großen Parteien lehnen eine Reform ab.
Nicole Striek (18) findet Frauen in der Bundeswehr gut. „Dann können sie sich auch verteidigen.“ Vielleicht, so ihre Hoffnung, „haben Männer ja dann mehr Respekt vor Frauen, wenn sie sehen, dass Frauen es genauso können“. Doch Gleichberechtigung muss immer für beide Seiten gelten. Und das, da ist Nicole Striek sicher, ist hier nicht der Fall. „Ich bin dagegen, dass Männer müssen und Frauen nicht. Manche Männer wollen ja gar nicht.“
In diesem Jahr wollen immerhin 22.000. So viele junge Männer haben gestern ihren Grundwehrdienst angetreten. Davon werden 17.000 Wehrpflichtige beim Heer dienen, 3.900 bei der Luftwaffe und 1.100 bei der Marine.
Einzige Alternative: Der Zivildienst in Altenheimen oder auf Krankenstationen. Die Frauen, sagt Nicole Striek, könnten es sich im Gegensatz zu den Männern aussuchen. „Das finde ich ungerecht.“
Von einem „Akt der Gleichberechtigung“ spricht dagegen Frank Schöne (26). Durch den Dienst an der Waffe? Schöne sieht es gelassen: „Die Frauen werden ja schließlich nicht gezwungen.“ Dass mit der Öffnung der Bundeswehr alle alten Zöpfe fallen, glaubt Schöne nicht. „Der Wehrdienst insgesamt steht damit nicht in Frage.“ Obwohl: „Der Wehrdienst sollten grundsätzlich abgeschafft werden.“ Doch Schöne ist Realist. Die Zulassung von Frauen werde das nicht bewirken. Schließlich war dies keine einsame Entscheidung der Deutschen. Im Gegenteil war erst sanfter Druck aus Straßburg notwendig, damit Deutschland mit den westlichen Ländern gleichzieht. Doch die Soldaten kämpften eben um ihre Pfründen. „Die stehen den Rekrutinnen sicher sehr skeptisch gegenüber.“ Vom männlichen Rest der Republik hat er dagegen ein besseres Bild: „Ich glaube, dass die deutschen Männer insgesamt toleranter sind.“
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