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Rote Flora: CDU ante portas

Mietvertrag sorgt für heftige Diskussionen nicht nur in der Szene. CDU-Fraktionschef von Beust kommt heute zu Besuch  ■ Von Sven-Michael Veit

„Gehwege und Zuwegungen“ sind nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen „auf eigene Kosten zu reinigen, insbesondere Schnee und Eis zu beseitigen und bei Glätte ausreichend abstumpfende Mittel zu streuen“: So steht es in Paragraf 9 eines Mietvertragsentwurfs für die Rote Flora, welcher der taz hamburg vorliegt (siehe Dokumentation). Altonas Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer (SPD) hat ihn Ende vorigen Jahres im Namen der Stadt („nachstehend Vermieterin genannt“) den „sehr geehrten Damen und Herren“ vom Vorstand des „Flora e.V. Verein zur Förderung der Lebensfreude im Stadtteil“ („nachstehend Mieter genannt“) übersandt.

Nicht nur wegen der Selbstverpflichtung zum Schneeschippen diskutieren die das Vertragsangebot ebenso kontrovers wie prinzipiell. Zur Zeit lehnt eine Mehrheit im Autonomenzentrum am Schulterblatt jegliche Verhandlungen über den Entwurf strikt ab. Zum Beispiel Stefan*: Der Aktivist der ersten Stunde findet, dass „Verträge mehr als nur eine organisatorische Veränderung bedeuten“. Ihm geht es darum, „ein bestimmtes Politik-konzept zu verteidigen, für das die Flora steht“, und das könne man nicht für ein Papier aufgeben. Vorstandsmitglied Norbert* hingegen fürchtet, dass „die Flora auf Dauer nicht gesichert werden kann ohne Verträge“.

Abseits dieser Gretchenfrage sind vor allem die Klauseln des Paragrafen 10 umstritten: Diese interpretiert eine Mehrheit der Floristen als „das Untersagen von politischen Plakatwänden“ und als „Verpflichtung, die Drogenszene um die Flora nicht zu dulden“ – eine durchaus phantasievolle Deutung von Passagen, die in jedem handelsüblichen Mietvertrag zu finden sind.

Bezirksamtsleiter Hornauer, der in Abstimmung mit Justiz-Staatsrat Hans-Peter Strenge und im Auftrag des Senats den Vertragstext erarbeitete, sieht darin „eigentlich nur die Festschreibung des status quo“. Die geringe Nettokaltmiete von lediglich etwas mehr als einer Mark pro Quadratmeter „orientiert sich am Gebäuderichtwert“, sagt Hornauer. Die Rotfloristen „wollen ja keine Staatsknete, sondern selbst für das Gebäude verantwortlich sein“ und für dessen Instandhaltung sorgen. Diese Haltung wolle die Stadt akzeptieren, so Hornauer: „Wenn wir die Flora mit öffentlichen Geldern sanieren würden, würde das den Mietpreis natürlich beträchtlich erhöhen.“ Jetzt wartet der Bezirkschef geduldig auf eine Antwort. Wann die erfolgt und welcher Art sie ist, mag in der Flora niemand vorherzusagen: „Wir diskutieren noch.“

Keine langen Debatten hingegen will die CDU mehr dulden. Fraktionschef Ole von Beust will heute vormittag auf einer Pressekonferenz vor dem Eingang der Flora die Räumung „dieses rechtsfreien Raums“ fordern: „Dieser unhaltbare Zustand muss beendet werden.“ Darauf haben die Floristen eine spontane Antwort bereit: Sie laden ab 9.30 Uhr zum Stadtteilfest mit Filmvorführung. Gezeigt wird Charlie Chaplins „Der große Diktator“.

* Namen geändert

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