: Mutig und renitent
Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn geht keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, wenn es um Überzeugungen geht
KÖLN taz ■ Noch Anfang vergangenen Jahres schien Bärbel Höhn im Abseits. Mit ihrer Hartnäckigkeit im Kampf gegen BSE hatte sie sich auch im rot-grünen Lager isoliert. Die Bundesregierung wollte das leidige BSE-Thema vom Tisch und keinen weiteren Ärger mit der EU-Kommission haben. Da nervte die renitente Linke aus Nordrhein-Westfalen. Vergebens waren denn auch ihre Appelle an Regierung und Bundesrat, das Importverbot für britisches Rindfleisch aufrecht zu erhalten und flächendeckende BSE-Schnelltests einzuführen. Die Zeiten ändern sich: Inzwischen gilt die 1952 geborene Oberhausenerin bundesweit als die einzige zuständige Ministerin, die sich konsequent für den Verbraucherschutz einsetzt.
Zu Recht. Seit ihrem Amtsantritt 1995 hatte für Höhn das Thema BSE stets Priorität. Dabei scheute sie auch nicht vor Alleingängen zurück. So verhängte sie Anfang 1996 nach dem Auslaufen der bundesweiten Dringlichkeitsverordnung einen totalen Importstopp für britisches Rindfleisch, während sich andere Bundesländer noch auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Fleischindustrie verlassen wollten. Bereits 1998 setzte sich Höhn für die europaweite Einführung von BSE-Schnelltests ein und startete in Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Pilotprojekt. Nur auf eine Kennzeichnung britischen Rindfleischs zu setzen, hielt sie stets für nicht ausreichend. Die Entscheidung der EU-Kommission, das Importverbot von britischem Rindfleisch zum 1. 8. 1999 aufzuheben, kritisierte Höhn scharf. In der EU stünden Wirtschaftsinteressen nach wie vor höher im Kurs als der Verbraucherschutz.
Im Gegensatz zu ihrer Parteifreundin Andrea Fischer stemmte sich Höhn denn auch vehement dagegen, dass die Bundesrepublik der EU-Linie folgt. „Das, was Sie hier machen, ist ein Feldversuch an der Bevölkerung“, warf Höhn im März 2000 im Bundesrat der dortigen Mehrheit und der rot-grünen Bundesregierung vor. „Sie handeln im vollen Wissen, dass die Bevölkerung möglichen Gefahren ausgesetzt ist“, appellierte die grüne Ministerin vergebens gegen die Aufhebung des Importverbots in Deutschland. Als Bundesgesundheitsministerin Fischer die Länder aufforderte, die Verwendung der Kennzeichnung „BSE-getestet“ im Lebensmittelhandel zu unterbinden, verweigerte Höhn die Gefolgschaft. In NRW werde es auch weiterhin diese Kennzeichnung geben, schrieb sie in einem offenen Brief an Fischer. Von Anfang an ließ sie die Diplommathematikerin keinen Zweifel daran, dass sie das BSE-Krisenmanagement der rot-grünen Bundesregierung für unzulänglich hält. Besonders Bundeslandwirtschaftsminister Funke hat es ihr angetan: „Zum Glück ist noch niemand auf die Idee gekommen, den ADAC-Vorsitzenden zum Verkehrminister zu machen.“ PASCAL BEUCKER
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