: Robbenwahnsinn
Wir erfahren: Für Robben ist die deutsche Küste tabu. Sie spüren, dass fast alles zu spät ist ■ Von Peter Ahrens
Wir müssen über Tiere reden. Über die Rache der Natur. Über Wahnsinn, über Reglementierung, über die Hybris des Menschen, der in den natürlichen Kreislauf eingreift und am Ende vor einem Scherbenhaufen steht. Wir reden über Robben.
Das Robbensterben – wir erinnern uns mit nostalgischem Schauder. Es war in der Zeit, als man Kühen noch ins waidwunde Auge zu schauen können glaubte. Als Schweine noch nicht die Pest an den Hacken hatten, als Hühner noch nicht gefickt wurden und Hunde noch ohne Maulkorb (Im Übrigen: Die Gewerkschaft der Polizei fordert: Der Justizmaulkorb für die Hamburger Polizei muss weg) und fröhlich unangeleint Würste auf öffentliches Trottoir zu setzen willens und in der Lage waren. Da waren es die Robben, die uns schon spüren ließen: Erst wenn die letzte Rindswurst verspeist und der letzte Saumagen verfüttert ist, dann werdet ihr merken, dass man EmmTV-Aktien nicht essen kann. Weil ihnen lebenswichtige Spurenelemente abgehen.
Und jetzt, wo alles am Ende ist, wo sich selbst Landwirtschaftsminister mit der Qualifikation zum Dichten (Oldenburger Butter hilft dir auf die Mutter) vom Acker machen, verschrotet werden und in die Nahrungskette übergehen, um grünen Frauen aus Berlin das bestellte Feld zu überlassen – in solchen wirren Zeiten, in denen man sich täglich fragt: Was darf ich überhaupt noch trinken? – in solchen Zeiten muss es erlaubt sein zu fragen: Was macht die Robbe, dieses Frühwarnsystem der Apokalypse, eigentlich heute?
Antwort spendet die Deutsche Presse-Agentur. Die überfiel uns nun mit der enigmatischen Ticker-Überschrift: „Deutsche Ostseeküste bleibt für Robben tabu – Fischer gegen Rückkehr“. Warum? Gilt es inzwischen für Robben als unschicklich, sich deutscher Küste zu nähern? Ist der Schaden für den Standort Deutschland im Ausland durch die Horrormeldungen der letzten Wochen („Der Heiratsschwindler von Kaltenkirchen: Er hat uns alle reingelegt“, „Boris: Jetzt droht auch noch Vaterschaftsklage“ „Hoeneß ausgeraubt, Porsche weg“) schon so immens, dass die Robben sich nicht mehr trauen?
Und läuft Joschka – „Ja, ich war intrigant“ – Fischer jetzt völlig Amok, dass er die possierlichen Tierchen nicht zurückkehren lassen will? Haben die Robben auch jetzt wieder ein feines Gespür, dass Deutschland, deutscher Boden, deutsche Küste, deutscher Sang (Zlatko/Moshammer) dem Untergang geweiht ist?
Wir sehen schlimmen Zeiten entgegen. Nostradamus war eine Robbe. Wir müssen dringend etwas tun, „von der Ladentheke her denken“ (G. Schröder), wir müssen „Zivilcourage“ (M. Friedman) entwickeln, nicht wegschauen, wenn ein Tier angepöbelt und belästigt wird. Aber es gibt Hoffnung, auch die übermittelt uns dpa: „Elmshorner Biologe kämpft um die letzten weißen Nashörner.“
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