: Kontrakt im Papierkorb
■ AnwohnerInnen fühlen sich bei Messe-Planung ausgebootet und werfen Wirtschaftsbehörde Bruch von Abmachungen vor
Die Krux zeigte sich schon bei der Einladung. Zu einer „öffentlichen Informationsveranstaltung“ über die Messe-Erweiterung waren die BewohnerInnen des Schanzen- und des Karolinenviertels am Dienstag Abend eingeladen worden. Gegenstand: Der hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Kompromiss zwischen der Hamburg Messe- und Congress-Gesellschaft (HMC) und dem Fleischgroßmarkt Hamburg (FGH). Die AnwohnerInnen, denen versprochen worden war, dass sie als dritter gleichberechtigter Partner an dem Kompromiss beteiligt würden, sahen sich vor vollendete Tatsachen gestellt und reagierten verärgert.
„Sie sind ausgestiegen aus dem Kontrakt“, warf Schanzen-Pastor Christian Arndt den Behörden vor. Der Kontrakt vom 29. Oktober 2000 war das Ergebnis einer „kommunikativen Begleitung“ der Messe-Planung durch die Politologen Wolfgang Gessenharter und Peter Feindt. Er sah vor, dass die AnwohnerInnen an der Planung weiterhin beteiligt werden sollten und dass sie Zeit zur Prüfung der vorgelegten Gutachten haben sollten.
Die Gutachten sind von den Behörden bis heute nicht frei gegeben worden. Und dass die Reaktion der AnwohnerInnen auf den FGH-HMC-Kompromiss noch in der Beschlussvorlage für den Senat eingehen könnte, dafür ist der Zeitplan der Verwaltung zu straff, wie Oberbaudirektor Jörn Walter einräumte.
„Es wird jetzt allein das gemacht, was die wirtschaftlichen Interessengruppen für richtig halten“, schimpfte Bernd Schwarze vom Sanierungsbeirat Karoviertel. Zuvor hatte Franz-Josef Klein von der Wirtschaftsbehörde Öl ins Feuer gegossen, indem er auch für die Zukunft „Infoveranstaltungen“ anbot. Versprochen gewesen sei die Einbeziehung der BürgerInnen, konterte Pastor Arndt.
Walter hatte alle Mühe, die Wogen zu glätten: Da zunächst einmal Senat und Bürgerschaft entscheiden müssten, wie weit sie dem Kompromiss folgen wollten, und danach ein Investoren-Wettbewerb stattfinde, sei eine intensive, nicht gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung erst wieder Ende 2001/Anfang 2002 sinnvoll. Dann wird es um die Umsetzung der Pläne gehen.
Inhaltlich kritisieren die AnwohnerInnen vor allem das geplante Parkhaus mit 1500 Plätzen unter dem Heiligengeistfeld. Zirka 60 Millionen Mark teuer, sei es eine „gebaute Dummheit“, sagte Ingolf Goritz von der Verkehrsinitiative Karoviertel. „Jeder weitere Parkplatz zieht Verkehr“, warnte der Anwalt Manfred Getzmann. Der Senat müsse endlich eine Kosten-Nutzen-Analyse der weit mehr als 600 Millionen Mark teueren Messe-Erweiterung vorlegen.
Bei den Plänen auf dem Erweiterungsgelände räumte Walter einige Missverständnisse aus: So erhält der U-Bahnhof Sternschanze einen Südausgang; der südliche Teil der Karolinenstraße bei der Gnadenkirche wird verkehrsberuhigt und das denkmalgeschützte ehemalige HEW-Verwaltungsgebäude an der Karolinenstraße bleibt erhalten.
Gernot Knödler
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