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berliner szenenDrei Minuten Theorie

Rohrkrepierer

Ich bin seit einiger Zeit ein Empfänger der auf der „Rohrpost“-Mailingliste geposteten E-Mails. Von denen sind einige wild, einige brauchbar und viele überflüssig, was heißt, dass die „Rohrpost“ eine akzeptable und hilfreiche Mailingliste ist. Nun aber reicht den E-Mailern das Schreiben nicht mehr: Man will auch kuscheln. Daher lädt man alle „Rohrpostler“ zu einem Empfang ins Museum für Post und Kommunikation. So weit, so gut. Dazu aber erreichte mich jetzt eine Mail, dass im Rahmen dieses Empfangs die „Stand-up-Theory-Aktion: YOUR 3 MINUTES OF THEORY?“ stattfinde. Dort werden Leute aufgefordert, sich für drei Minuten vors Publikum zu stellen und – ja was eigentlich? Einführung, Statement, These, in drei Minuten? Was, wenn Nachfragen kommen? Was, wenn man was zu sagen hat? Irr, aber wahr. Diese unter StudentInnen weit verbreitete Masche, alles für Theorie zu halten, was kompliziert klingt oder sich auf Foucault bezieht, erreicht hier einen einsamen Höhepunkt. Aber ist es nicht überall so? Gilt nicht schon fast jeder Schulaufsatz für Literatur und fast jeder Bauer als ernst zu nehmender Bürgermeister? Also erwarten wir gespannt den Auftritt des Theoretikers: Mit Wunderkerzen im Haar und coolen Symbolen auf seinem Max-Planck-Instituts-Kittel unterhält er sein Publikum prächtig. Schönen Dank. JS

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