Rabbiner in Berlin beschimpft und verletzt

In der U-Bahn wurde der Rabbiner von Jugendlichen angegriffen. Tatverdächtiger Schläger ist irakischer Herkunft

Ein Rabbiner ist am Mittwochabend in Berlin Opfer einer antisemitischen Attacke geworden. Walter Rothschild, bis vor wenigen Tagen einziger nichtorthodoxer Gemeinderabbiner in der Bundesrepublik, erhielt einen Schlag ins Gesicht. Dabei fielen auch die Worte „Ich hasse Juden“. Splitter seiner zerborstenen Brille verletzten Rothschild am linken Auge. Nach Angaben seiner Familie wurde die Wunde noch am selben Abend in einem Krankenhaus versorgt. Tatverdächtig ist ein Berliner irakischer Herkunft.

Schon vor dem Vorfall hatten die drei Heranwachsenden in einer U-Bahn randaliert. Ein Sicherheitsmann der Berliner Verkehrsbetriebe forderte sie daraufhin auf, an einem U-Bahnhof nahe des Kurfürstendamm auszusteigen. Der 46-jährige Rothschild bekam den Vorfall mit und versuchte, die Störer zu beschwichtigen. Daraufhin gingen sie auf ihn los.

Rothschild, der auf Grund seiner Kleidung als Rabbiner zu erkennen war, wurde zunächst mit antisemitischen Äußerungen beleidigt und dann wahrscheinlich von einem 15-jährigen Iraker aus Kreuzberg geschlagen. Der Junge entriss ihm den Hut und flüchtete mit seinen Kumpanen. Eine 35-jährige Begleiterin Rothschilds rannte dem Jugendlichen hinterher und nahm ihm den Hut wieder ab.

Sicherheitsleute der Verkehrsbetriebe, Polizei und eine Ambulanz waren nach Angaben der Familie schnell vor Ort. Einer der Jugendlichen konnte bereits kurze Zeit nach dem Vorfall von einem Funkstreifenwagen festgenommen werden. Er wurde nach seiner Vernehmung und der Anhörung Rothschilds wieder entlassen. Im Verhör nannte er auch die Namen seiner beiden Mittäter. Noch im Laufe des gestrigen Tages wurde daraufhin der mutmaßliche Schläger gefasst.

Rothschild, Rabbiner englischer Abstammung, sei nicht „nicht hysterisch“, sagte seine Familie. Er nehme die Sache nicht persönlich und werde jetzt nicht die Koffer packen. Zwar sei dies eine antisemitische Attacke gewesen, jedoch war die Tat nicht „geplant“. Der Berliner Senat erklärte, es sei nicht hinnehmbar, dass jemand – wie auch immer motivierte – Gewalt ausübe – „sei es ein Deutscher oder auch ein hier lebender Ausländer“. Die Jüdische Gemeinde verurteilte die Tat. Übergriffe jeder Art dürften nicht zum „Normalfall“ werden, sagte ihr Vorsitzender Andreas Nachama. Er forderte die politisch Verantwortlichen und die Verkehrsbetriebe auf, einen „informellen Sicherheitsrat“ einzurichten. PHILIPP GESSLER