Rebellisch mit Stil

Mode ohne Verzweiflung: Seit 1995 entwerfen und produzieren die beiden Herren des Berliner Designer-Duos Thatchers Klamotten vor allem für Frauen. Ihre Mode beschreiben sie als „britisch, diszipliniert, ausdrucksstark und hart“, und am liebsten verwendet werden von ihnen Jeans- und Jersey-Stoffe

von PAMELA JAHN

Groß und schlank gewachsen, sanft dreinschauende Augen, vanilleblondes Haar und ein smartes Lächeln, das selbst Schwiegermütterherzen schmelzen ließe: Nein, rein äußerlich haben die beiden jungen Männer, die sich Thatchers nennen, mit der „Eisernen Lady“ absolut nichts gemein. Die beiden haben einfach einen Namen gesucht, der zu dem passt, was sie machen: ihrer Mode. „Britisch, diszipliniert, ausdrucksstark, hart – das alles waren bestimmte Assoziationen, die sich für unsere Mode mit dem Namen verbinden ließen“, erklärt Thomas Mrozek, die eine Hälfte des Berliner Designer-Duos.

Vor sechs Jahren hat er sich mit seinem langjährigen Freund Ralf Hensellek zusammengetan, um ironische Outfits für Frauen mit guter Figur und Freude an der Selbstdarstellung zu entwerfen. Ihrem Anspruch sind sie denn auch über die Jahre treu geblieben. Penibel produzieren die beiden Perfektionisten seit 1995 stilvoll Schlichtes zum Drüber-, Drunter- und Miteinandertragen.

Mit der diesjährigen Sommerkollektion nun auch für das andere Geschlecht – erst einmal allerdings nur Unterwäsche und Tops. Schnörkellose Bauhaus-Uniformität scheint von Beginn an als Inspirationsquelle für die schnurgerade geschnittenen Kleider, Röcke und Hosen gedient zu haben. Ein klares Grundkonzept ist dabei in jeder bisherigen Kollektion erkennbar, jeweils zeitgemäß und mit viel Sinn fürs Detail umgesetzt.

Alle Thatchers-Modelle wirken sehr grafisch – dabei aber immer auch äußerst sexy. Und trendy, wie Ralf Hensellek mehrfach versichert. „Man muss einfach up to date sein“, findet der 33-jährige Thatcher, „das haben viele Modemacher in Berlin nur noch nicht wirklich begriffen. Deshalb werden die Trends eben immer noch in Paris, London oder New York gemacht und gezeigt. Und wenn wir immer nur die Basics liefern, wird es doch irgendwann langweilig.“

Unermüdliches Ausprobieren lautet demnach ihre Devise. Das gilt bei Thatchers vor allem für die Verarbeitung der bevorzugten Materialien. Jeans-Stoffe verwendeten die beiden – quasi noch vor dem Trend – zum ersten Mal 1996 und seither in den verschiedensten Variationen in jeder Saison.

Am liebsten arbeiten sie daneben mit Jersey und anderen dehnbaren Materialien – selten bedruckt oder mit vorgegebenen Mustern, sodass bei der experimentellen Verarbeitung neue Arten von Stoffen entstehen. Wie beispielsweise für die neueste Kollektion: in Streifen geschnittener Blue Denim, aufgesteppt auf hautfarbenen Stretch. Das Ergebnis ist ein leicht punkiger Nadelstreifenlook, den die Thatchers in diesem Sommer mit Grellgelb, Dunkelrot oder Tiefenblau kombinieren, getreu dem Motto: Lebe wild und rebellisch, aber mit Stil. Thatchers-Klamotten erfordern zum Teil Mut. „Dabei sind wir in den letzten Jahren schon etwas braver und tragbarer geworden“, räumt Ralf Hensellek ein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund strömten wohl im Dezember 2000 die jungen modebewussten Hauptstadtmenschen zu hunderten ins Kino „International“, um bei einer Modenshow-Party die neue Kollektion des umtriebigen Berliner Designer-Duos begutachten zu können.

Viele der potenziellen Käufer sahen an dem Abend aus, als würden sie entweder selber Mode machen, als Fotomodell jobben oder zu den klassischen „Fashion-Victims“ gehören, die sich konsequent jedem Modetrend unterwerfen.

Die Thatchers jedenfalls haben in Berlin längst einen so großen Kundenstamm, um dem eigenen Atelier in der Kastanienallee nun endlich auch das eigene Geschäft folgen zu lassen – möglichst noch in diesem Frühjahr und am liebsten natürlich auch in Prenzlauer Berg, wo sich die ehemals so schwer überschaubare städtische Modeszene mittlerweile eifrig tummelt.

International sind die beiden Wahl-Berliner schon seit ihrer Gründung ziemlich verheißungsvoll im Geschäft. Seit 1996 führen sie ihre Modelle in Paris nicht nur vor, sondern verkaufen ihre Kollektionen dabei auch weltweit, beispielsweise nach England, Amerika und Japan. Einen derart durchschlagenden Erfolg ihrer Kreationen hatten die beiden wohl nicht zu träumen gewagt, als sie 1985, kurz nachdem sie sich kennen gelernt hatten, zunächst zusammen mit anderen Freunden aus der Szene einen kleinen Laden in der Grunewaldstraße eröffneten. Damals waren sie noch ein Paar – Ralf ging auf die Modeschule, Thomas, Autodidakt, entwarf schon länger Theaterkostüme. „In dieser Zeit galt der Begriff ‚Berliner Mode‘ ja auch noch eher als Schimpfwort“, erinnert sich der 36-jährige Mrozek, „selbst als wir 1995 anfingen, als Thatchers richtig professionell zu arbeiten, hatten wir noch eine Art Modemissionsposten in Berlin.“

Heutzutage haben sich die Zeiten glücklicherweise geändert. Das kreative Potenzial der Stadt wächst beständig. Mode machen wollen mittlerweile viele, nur diese Mode auch zu verkaufen, scheint teilweise noch problematisch. Aber auch hier hatten die beiden Fashion-Missionare schließlich eine für alle Beteiligten äußerst fruchtbare Idee: eine Mode-Sales-Party namens „dress with discipline“, bei der die diversen Berliner Labels jährlich ihre Restbestände zu Schnäppchenpreisen anbieten. Wann und wo der Partyverkauf in diesem Jahr stattfindet, wollten die beiden dann allerdings doch noch nicht verraten.

Als Antwort gibt’s nur ein charmantes und leicht hintersinniges Lächeln – very british eben.