: Miami am Von-Melle-Park
„Spinner und Radikalinskis“: Streit um Wahlen an der Uni. Linke werfen grünem Wahlleiter Manipulation vor ■ Von Heike Dierbach
Landeswahlleiter Wolfgang Prill hat es doch nur gut gemeint: „Der Hamburger Senat wird gestellt von SPD und GAL. Die anderen Fraktionen (CDU und Regenbogen) bilden formal die Opposition; viele haben daran jedoch kaum Interesse und lassen sich selten sehen – manche nie“, hat er ins Vorwort der Broschüre geschrieben, in der sich alle Parteien jetzt schon für die Bürgerschaftwahl im Herbst vorstellen. „Das ist die pure Wahrheit“, schwört Prill, „vor allem der Regenbogen kommt nur, wenn es was zu Essen gibt – vor allem Schokolade und Marzipan. Aber das soll natürlich nicht heißen, dass man die nicht wählen soll.“
Die Opposition schäumt – aber nicht wirklich in der Hamburger Bürgerschaft. Die versucht es gar nicht erst mit gemeinsamen Broschüren. Der so gescholtene Wahlleiter heißt auch nicht Wolfgang Prill – der hat zur Zeit anderen Druck –, sondern Hagen Eichler, Präsident des Studierendenparlaments (Stupa) der Universität Hamburg. Er ist Leiter der Stupa-Wahlen in der kommenden Woche.
Die Hochschulgruppen Regenbogen, St. Pauli, Liste Sozialistischer StudentInnen und Assoziation Marxistischer StudentInnen werfen Eichler (regierende Grüne Hochschulgruppe) vor, mit seinem sechsseitigen Vorwort zur Wahlzeitung die Wähler zu manipulieren. Neben der oben schon zitierten „puren Wahrheit“ greift Eichler dort die „unter Studierenden weit verbreitete Meinung“ auf: „Kann es sein, dass im Studierendenparlament vor allem Spinner und Radikalinskis sitzen?“ Die linke Opposition fühlt sich gemeint und diskreditiert: „Die Grüne Hochschulgruppe missbraucht ihre Mehrheit im Präsidium, um die Wahl zu manipulieren.“ Eichler verteidigt sich: „Viele nennen doch auch die Grünen Spinner.“ (mehr Infos unter www.spinner.de) Er habe nur mehr Studierende zur Teilnahme an der Wahl motivieren wollen, indem er ausführlich ihre Befürchtungen anspreche.
Für Präsidiums-Mitglied Anja Postmartens (Liste Links) hingegen verstößt Eichler mit diesem Vorwort gegen das Neutralitätsgebot der Wahlleitung. Sie kritisiert auch die graphische Darstellung der Frauenanteile der einzelnen Listen. „Die Aufschlüsselung zeigt“, schreibt Eichler, „dass nur in zwei Fraktionen Frauen die Hälfte aller Mandate besetzen“ (die beiden reinen Frauenlisten ausgenommen.) Eine ist zufällig die Grüne Hochschulgruppe. Eichlers Argument: „Das ist doch eine Tatsache.“
„Wahrscheinlich fürchtet die Grüne Hochschulgruppe um die Mehrheit im Stupa“, sagt Bela Rogalla von der Hochschulgruppe Regenbogen. Von einer Wahlanfechtung will die Opposition jetzt aber noch nicht reden. Schade: Wann fühlt man sich im Januar auf dem Campus am Von-Melle-Park schon wie in Miami? Schafft zwei, drei, viele Floridas.
Vielleicht wissen die Großen Rat: Das Studierendenparlament gilt als Setzlingskasten der Bürgerschaft. Allerdings hat die ja auch schon mal eine Wahl wiederholen müssen. Kann es etwa sein, dass dort auch vor allem Spinner...?
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