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Sauerei im Schweinesystem

Mastskandal in Bayern und Österreich: „Autobahntierärzte“ versorgen Schweinezüchter mit illegalen Pharmazeutika. Tierarztverband warnt seit langem

von KLAUS WITTMANN

Da möchte dem eisernsten Magen die Lust am Schweinsbraten vergehen: Mehr als 1.200 Landwirte, Schweinezüchter vor allem, sollen jahrelang tonnenweise illegale Medikamente von so genannten „Autobahntierärzten“ gekauft haben, um ihre Zucht- und Masterfolge zu beschleunigen. Diese Ärzte schlagen die heiße Ware gern an Raststätten um. Am Donnerstag vergangener Woche war eine gemeinsame Großrazzia von österreichischen und deutschen Fahndern offenbar erfolgreich. An 23 Orten in Bayern und dem Nachbarland, so berichtet der Spiegel, waren Tierärzte und Bauernhöfe durchsucht worden. Hormone, Antibiotika und Impfstoffe wurden beschlagnahmt.

Die Kriminalisten sprechen bei den verbotenen Masthilfen von einer „unkalkulierbaren Gefahr für die Verbraucher“. Die Auswirkungen der Turbo-Mast könnten die der Rinderkrankheit BSE weit übertreffen. Der Spiegel zitiert in diesem Zusammenhang den Cheftierarzt der Bayer-Werke Austria: „Die Gefahr, in einem Krankenhaus wegen Antibiotikaresistenzen nicht mehr wirkungsvoll behandelt werden zu können und deshalb zu sterben, ist mit Sicherheit größer als jene, sich die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu holen.“

„Wir sind stinkesauer, denn wir kämpfen seit Jahren darum, dass hier die notwendigen staatlichen Kontrollpflichten im Arzneimittelbereich durchgeführt werden, und es freut uns, dass hier jemandem anscheinend das Handwerk gelegt wird“, sagt der aus dem schwäbischen Babenhausen stammende Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer, Dr. Tobias Held. „Das Verwerfliche dabei ist, dass die ‚Kollegen‘ dabei, ohne dass die notwendigen Untersuchungen durchgeführt wurden, verschreibungspflichtige Medikamente massenweise abgeben.“ (Siehe auch Interview unten)

Das Problem der „Autobahntierärzte“ kennen die seriös arbeitenden Veterinäre. Nur: Selten genug käme man an diese Leute heran, die sich über ausländische Kanäle mit den Präparaten versorgen. Die praktische Tierärztin im württembergischen Biberach, Dr. Susanne Hermann: „Es stinkt uns granatenmäßig, und bei uns im Württembergischen kennt man auch einen solchen Kollegen. Der kommt in den Schweinestall und liefert seine Medikamente dort ab.“ Aber die Bauern, die bei ihm einkaufen, seien zu keiner Aussage vor Gericht bereit. Sie würden vielmehr so genannte Betreuungsverträge abschließen, und so habe man kaum eine juristische Handhabe.

Sauer sind auch die seriös arbeitenden Bauern, die einmal mehr ins Gerede kommen. Dabei ist klar, dass es vor allem im Hochleistungsmastbereich oft um die schnelle Mark geht. Ein Bauer aus der Nähe von Memmingen, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte unverblümt, er kenne auch einen solchen „Autobahntierarzt“ aus der Gegend. Der stehe zwar nicht im Telefonbuch, aber bei Jungbauernversammlungen oder Züchtertreffen würden seine Angebote unter der Hand gehandelt. „Freilich nützt das Zeug in der Bullenmast weniger als bei Schweinen und Geflügel, und daher sind wir bei weitem nicht im gleichen Ausmaß betroffen wie die Kollegen in den Schweinemasthochburgen.“ Der Bauer lässt unmissverständlich anklingen, dass auch seiner Ansicht nach im zuständigen Gesundheitsministerium das Thema – bewusst oder unbewusst – „verpennt wurde“.

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