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Auf sicheren Amtsposten

Kanzler hält an Umwelt- und Außenminister fest: Sie hätten Missverständnisse richtig gestellt

von SEVERIN WEILAND

Aus dem Wahlkampf in Rheinland-Pfalz musste der Bundeskanzler seinen bedrängten Ministern beispringen. Was „missverständlich oder falsch war“ hätten Joschka Fischer und Jürgen Trittin richtig gestellt. „Dabei muss es jetzt auch bleiben“, so Gerhard Schröder gestern in Pirmasens. Ein Ende der Debatte um die linksradikale Vergangenheit der beiden Grünen ist jedoch keineswegs abzusehen. Die Union will nach Fischer nun auch Trittin im Bundestag mit seiner Vergangenheit konfrontieren. Dazu habe man ein „paar dringende Fragen“, erklärte gestern der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Hans-Peter Repnik, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, erklärte, auch die „Akte Fischer“ sei „noch nicht geschlossen“. Die FDP schloss am Montag einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Trittin und Fischer nicht aus.

Im Mittelpunkt der neuen Kontroverse steht der Kontakt Fischers zur früheren RAF-Terroristin Margrit Schiller. Gegenüber der ARD hatte Fischer am Montagabend erklärt, er habe Margrit Schiller in den 70er-Jahren nicht in seiner Wohnung beherbergt. Anlass der Kontroverse war die Behauptung der Journalistin Bettina Röhl, die damalige Frankfurter Adresse Fischers sei eine Anlaufstelle für Terroristen gewesen. In einer Erklärung des Außenministeriums wurde gestern noch einmal auf die Aussage Fischers im Verfahren gegen den früheren Terroristen Hans-Joachim Klein hingewiesen. Im Prozess sei Fischer lediglich gefragt worden, ob er Schiller in „seiner Wohnung“ beherbergt habe. Dies habe er verneint.

Die Frage, ob Schiller sich in einer anderen Wohnung des Hauses aufgehalten habe, sei nicht Gegenstand der Befragung gewesen. Gegenüber der ARD wollte Fischer Kontakte zu Schiller nicht ausschließen. Damals, April 1973, habe er in einer reinen Männer-WG gelebt, doch habe es auch Frauen-WGs im Haus gegeben. Es könne also durchaus sein, dass man gemeinsam gefrühstückt und gesprochen habe, sagte Fischer.

Das Auswärtige Amt wies gestern darauf hin, dass Schiller zum damaligen Zeitpunkt keine von der Polizei gesuchte Person war. Zudem habe sie in ihrer Biografie zur Frage, ob Fischer ein Anhänger des bewaffneten Kampfes gewesen sei, geschrieben: „Joschka Fischer war absolut dagegen.“ Die Versuche, den Außenminister in die Nähe des Terrorismus zu rücken, seien „ebenso durchsichtig wie absolut haltlos“, so das Außenministerium.

Umweltminister Jürgen Trittin hat sich unterdessen erneut von dem „Mescalero“-Aufruf distanziert, in dem 1977 ein unbekannter Göttinger Student seine „klammheimliche Freude“ über den Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback ausgedrückt hatte. Trittin erklärt nun im neuen Stern, es sei ihm damals nicht darum gegangen, den Inhalt des Aufrufs zu verteidigen. Als Student habe er auf „eine vielleicht zu trotzköpfige Art“ die Meinungsfreiheit verteidigen wollen. Damals habe er nicht sehen wollen, dass unabhängig vom Inhalt „allein die Sprache für die Angehörigen der Opfer unerträglich“ gewesen sein musste. „Das war ein schwerer Fehler“, so Trittin.

Unterdessen brachte der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele eine Debatte des Bundestages über die 68er in die Diskussion. Nach der „Polemik“ der Fischer-Befragung vergangene Woche sei eine sachliche Auseinandersetzung um die Motive der Beteiligten notwendig. Fotos von Gewaltszenen, Schlagworte und alte Aufrufe reichten nicht. Gewalt sei „oft als Reaktion auf rechtswidrige Gewalt des Staates entstanden“, sagte Ströbele gestern. In den 70er-Jahren war er als Anwalt des RAF-Terroristen Andreas Baader bekannt geworden.

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