Parteirat legt sich quer zur Basis

Der Aufruf des Grünen-Parteirates an die Mitglieder, keine Castor-Blockaden zu unterstützen, stößt sowohl auf Widerstand als auch auf Verständnis

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Noch ist kein Castor von der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague zurück in die Bundesrepublik gerollt; da brennt bei den Grünen schon die Hütte. In einem offenen Brief proklamierten gestern vierzehn Spitzenfunktionäre der Grünen aus den Landesverbänden Niedersachsen, Bremen, Berlin, Brandenburg und Thüringen den „aktiven Protest“ gegen alle Atommülltransporte.

Erst am Montag hatte der Parteirat „alle Grünen-Mitglieder“ aufgerufen, keine Blockaden oder andere Proteste gegen Castor-Transporte zu unterstützen, „die dem Sinn des Atomausstiegs widersprechen“. Notwendig seien in diesem Sinnzusammenhang vor allem die Transporte, mit denen deutscher Atommüll von Frankreich wieder zurück nach Deutschland geholt werde (siehe Kasten). Nicht notwendig seien neue Atommülltransporte zum Zwischenlager Ahaus, sagte Parteichef Fritz Kuhn.

Die protestwilligen Grünen aus den Landesverbänden, darunter drei Landesvorsitzende und der Sprecher der Grünen Jugend, halten die Rücktransporte der alten Atommüllkontingente aus Frankreich zwar auch für legitim. Doch gegenwärtig diene die Rückführung nur dazu, „die ökologisch und gesundheitlich besonders gefährliche Technik der Wiederaufarbeitung am Leben zu erhalten“.

Das sieht auch der Sprecher der bundesweiten Anti-Atom-Kampagne „X-tausendmal quer“, Jochen Stay, so. Er wirft dem Parteirat vor, die WählerInnen der Grünen „für dumm verkaufen“ zu wollen. Der Beschluss sei eine „Kampfansage an die Bewegung“. Die werde sich weiter bei allen Castor-Transporten quer stellen. Schließlich seien an vielen AKW-Standorten die Lagerbecken voll. Und ohne die Atommülltransporte, so Stays Hoffnung, müssen bald die ersten Meiler stillgelegt werden.