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Kleines Glück

Der Epikureer Bernd Wegner frühstückte gestern optimistisch in die Zukunft  ■ Von Benjamin Butschle

Dieser Mann hat ein Zeichen gesetzt. Gegen Miesepeterei und für das Glück. Das kleine Glück. Gestern Mittag, um Punkt 12 Uhr, baute Bernd Wegner mitten auf dem Rathausmarkt einen Campingtisch auf und genoss bei leichtem Regen Champagner und Lachsbrötchen den „Zauber des Augenblicks“, das „kleine Glück“, wie er es nennt. Er wolle, dass „die Leute ein Lachen hinkriegen“, sagte Wegner, der zur Feier des Tages eine lustige Smiley-Krawatte umgebunden hatte. Zu viele Menschen hetzen seiner Ansicht nach mit verkrampften Mienen durch die Straßen, dabei gehe es darum, das „kleine Glück“ zu genießen.

Das Happening vor dem Rathaus hatte persönliche Gründe: „Im Alter von acht Jahren habe ich mir vorgenommen, 105 zu werden“, sagte Wegner. Gestern war mit 52,5 Jahren Halbzeit. Für Wegner ein Grund zu feiern. Der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ortwin Runde, war auch eingeladen mit anzustoßen, aber leider wegen einer Betriebsbesichtigung verhindert. Zufälligerweise des Betriebs, in dem Wegner gelernt hat und wo er vom damaligen Bürgermeister Herbert Weichmann besucht wurde. Das war ein Glücksmoment gewesen.

Solchen jagt Wegner heute noch nach. Jeder solle im täglichen Leben einmal innehalten und „Sekunden und Minuten für sich“ sein, um das „kleine Glück“ zu genießen. Denn „Wer wird Millionär, das machen sie ja alle“, so Wegner. In einem Gedicht hat er sein Anliegen poetisch verpackt:

Stoppt diese Eile – Sekundenbruchteile // verharren schauen – den Augen trauen. // Nicht hasten – rasten. // Dann weiter jagen und später fragen. // Einfach glücklich in dieser Stadt, // das ist's, was er gefunden hat.

Wegner, Autor und lyrisches Ich in einem, will mit seiner Aktion Passanten zum Nachdenken bringen und sie dazu anhalten, das Leben zu genießen: „Denn wir haben ja nur das eine.“ Ab und zu bleiben Menschen stehen und schmunzeln. Dann sieht Wegner sich in seiner Mission bestätigt. Bei soviel positivem Denken kann ein Schaulustiger selbst dem miesen Wetter Gutes abgewinnen: „Bei dem Regen wird wenigstens das Glas nie leer.“

Wegners Theorie des kleinen Glücks ist allerdings nicht frei von Widersprüchen. Was ist mit denen, die das kleine Glück partout nicht empfinden? Egal: Man müsse sich sagen: „Ja, es ist in Ordnung, auch wenns falsch ist“, meint Wegner. Ach so. Im übrigen könne sich ja jeder entscheiden, ob er glücklich oder unglücklich sein wolle.

Die Polizisten, die die Bannmeile um das Rathaus überwachen, sahen Wegners Chamnpagnerfrühstück gelassen zu. Es liege zwar „rein rechtlich“ eine „Sondernutzung des Wegerechts“ vor, aber für Polizeihauptmeister Markus Runge keinen Anlass, gegen den Epikureer einzuschreiten. Die Aktion sei ja „in dem Sinn nicht politisch“, daher könne man ruhig eine „gewisse Toleranz“ walten lassen.

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