piwik no script img

Streit um Zensur

Antisemitismus und Palästina-Konflikt: Der Mitschnitt einer Veranstaltung auf FSK  ■ Von Gaston Kirsche

Bei Hamburgs linkem Radio FSK tobt seit über zwei Monaten ein heftiger Streit darum, was dort über den Sender gehen soll – und was nicht. Beim autonomen Shopping auf dem Schulterblatt fallen gesprühte Parolen auf: „Keine Zensur bei FSK!“

Der Konflikt begann nach einer Sendung zum Israel-Palästina-Konflikt, die Achim S. und Wolfgang L. von der Redaktion Knast und Justiz am 25. Oktober moderierten. Am 2.11.2000 beschloss das für das gesamte Programm verantwortliche Gremium von FSK, die AnbieterInnengemeinschaft, mehrheitlich ein Sendeverbot für beide. Begründet würde das mit antisemitischen Äußerungen in ihrer Sendung. Dort sprach ein Studiogast, den sie als „Achmed, einen palästinensischen Genossen“ einführten, Israel klipp und klar das Existenzrecht ab. Weiter erklärte er: „Die Linken, die die Palästina-Solidarität angreifen, stellen sich auf die Seite der Täter und der Faschisten ... Für uns aus unserer Palästina-Erfahrung nach 50 Jahren Massaker, Vertreibung ... Wir haben alles erlebt, was die Juden damals erlebt haben.“

Knapp 200 Leute besuchten am 7. Januar die Veranstaltung über „Zensur bei FSK? Wieviel Antisemitismus braucht ein freies Radio?“ in der Roten Flora. Dort begründete Ole Frahm von der Radiogruppe Loretta, warum diese Gleichsetzung des Vorgehens Israels mit dem Nazideutschlands antisemitisch sei: „Sie betont die Schwere der eigenen Vertreibung und relativiert die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden. Eine unerträgliche Relativierung der Shoah: Wir meinen, dass die Palästina-Erfahrung nicht auf die Vernichtung der europäischen Juden abgebildet werden kann, darf, um damit zu legitimieren, Israelis als Faschisten zu bezeichnen.“

Dieser und weiteren antisemitischen Behauptungen von Achmed widersprachen Achim S. und Wolfgang L. in der Sendung nicht. Die beiden sind Mitglieder von Forum-Radio, einer der fünf Radiogruppen, die gemeinsam FSK bilden. Gegen das Sendeverbot gab es innerhalb und außerhalb von FSK massiven Protest. Auf der Homepage fsk-hh.org heißt es dazu: „In den vergangenen Wochen wurde das Sendeverbot mehrmals übertreten, indem sich Achim und Wolfgang mit Hilfe diverser UnterstützerInnen Zugang zu den Studioräumen verschafften.“ Diesem Kampf um die Mikrofone folgte die Kampagne „Gegen Zensur im freien Radio“ von Forum-Radio. Bei der Kritik an der fraglichen Sendung, so wurde behauptet, handele sich um einen „vorgeschobenen Antisemitismusvorwurf“.

Mit seinem Diskussionsbeitrag auf der Veranstaltung legte Achim S. nochmal nach: „Es ging bei Israel um einen imperialistischen Vorposten in der arabischen Welt. Die Wiedergutmachungszahlungen ermöglichten die Besatzung palästinensischer Gebiete und den Aufbau der Institutionen Israels ... Die einzigen, die in der Region Probleme machen, sind die Zionisten gewesen.“

Ole Frahm erklärte später gegenüber der taz hamburg: „Es war schon erstaunlich, wie vollständig die Kritik an den antisemitischen Äußerungen ignoriert wurde.“ Und: „Auch andere Gruppen vom Forum-Radio zeigen bis jetzt keine Bereitschaft, sich mit dem Antisemitismus-Vorwurf auseinanderzusetzen.“ Das Angebot der Veranstalter zur Diskussion wurde von den AnhängerInnen des Antizionismus ausgeschlagen, statt dessen inszenierten sie sich als Opfer von Zensur.

Anders als von Forum-Radio behauptet, geht es bei FSK keineswegs um ein Verbot von Kritik an der Politik Israels. So unterstützte Radio Loretta eine Veranstaltung am 13. Januar, auf der Moshe Zuckermann von der Uni Tel Aviv in der HWP sprach (ein Interview mit Zuckermann findet sich in der taz vom 15. 1.). Zuckermann ist ein differenzierter linker Kritiker der israelischen Politik, der zugleich die Shoah nicht vergisst. Die Veranstaltung mit Zuckermann war sehr gut besucht, der Hörsaal der HWP voll. Nach dem informativen, differenzierten und gut strukturierten 70-minütigen Vortrag von Zuckermann gab es eine lebhafte Diskussion.

Einen dreistündigen Mitschnitt von der Veranstaltung sendet FSK (93,0 MHz) am 27. Januar. Wenn der Mitschnitt vollständig ist, dann wird dort auch zu hören sein wie ein deutscher Antiimperialist Zuckermann als Nazi titulierte. Dafür benutzte der selbstbewusst nicht wie alle anderen für ihre Wortmeldungen das Saalmikrofon, sondern drängte sich gleich ans Rednerpult. Zuckermann antwortete dem deutschen Antiimp, einen solch ungeheuerlichen Vorwurf bekäme er nur in Deutschland zu hören.

morgen, 20 Uhr, FSK (93,0 MHz): Israel-Palästina - Der Konflikt und seine Träger. Vortrag und Diskussion mit Moshe Zuckermann. Mehr zum Konflikt: www.fsk-hh.org

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen