: Handelskammer operiert völlig drucklos
■ A380: Airbus-GegnerInnen zur Rücknahme ihrer Klagen gegen Werkserweiterung aufgefordert. Die lehnen ab. Juristen halten Baustopp-Urteile für „rechtsfehlerfrei“
„Es liegt uns fern“, beteuern die Unterzeichner in wohlgestalten Formulierungen, „mit unserem öffentlichen Engagement auf die ju-ristische Urteilsfindung des Oberverwaltungsgerichtes Einfluss nehmen zu wollen“. Doch aus Sorge um „das Jahrhundertprojekt A380“ appellieren Nikolaus Schües und Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Präses und Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, an die KlägerInnen gegen die Airbus-Werkserweiterung, „die Klagen zurückzuziehen“. In Briefen an vier HamburgerInnen, die einen gerichtlichen Baustopp erwirkt haben, und an deren Anwälte bietet die Kammer zudem an, „als Moderator zur Verfügung zu stehen, um Lösungswege aufzuzeigen“.
Bei den Adressaten kommt dieser Vorstoß gar nicht gut an. „Es gibt nichts zu moderieren“, sagt Obstbäuerin Gabi Quast vom Schutzbündnis für Hamburgs Elb-region. „Unsere Rechtsauffassung ist vom Verwaltungsgericht bestätigt worden“, dem Beschluss des OVG als zweiter Instanz sehe sie „optimistisch entgegen“. Dieses wird vermutlich bis Mitte des Monats Recht sprechen. Dass die Kammer sich als Vermittler anbiete, könne nur ein schlechter Witz sein: „Die steht voll hinter dem A380, die kann gar nicht unparteiisch sein.“ BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch befindet, die Handelskammer würde sich „von Recht und Anstand verabschieden“. Sie sei „nicht neutral“, sondern nur darauf aus „sich unliebsamer Kläger zu entledigen“.
Auch Kläger-Anwalt Rüdiger Nebelsieck findet das Vorgehen der Kammer „höchst ungewöhnlich“. Bisher hätte er „netterweise“ darauf verzichtet, weitere gerichtliche Beschlüsse gegen die Werkserweiterung zu erwirken. Insgesamt vertreten er und sein Kollege Peter Mohr 226 KlägerInnen: „Wir können jederzeit weitere einstweilige Verfügungen beantragen.“ Zugleich fragt sich Nebelsieck, woher die Kammer „Namen und Adressen der KlägerInnen hat“. Da könne ein Bruch des Daten- und Persönlichkeitsschutzes vorliegen.
„Von uns jedenfalls nicht“, sagt Bernd Meyer, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, der als formal Beklagten alle Gerichtsakten vorliegen. Schmidt-Trenz weiß auch nicht, wie sein Haus an die Adressen gekommen sei. Mit Bestimmtheit aber könne er sagen, „dass wir niemanden unter Druck setzen wollen“. Wenn die Briefe so verstanden würden, fände er das bedauerlich: „Wir haben doch nur ein Angebot unterbreitet.“
Ein Grund dafür solle sein, so wissen mehrere Quellen zu erzählen, dass die Rechtsexperten der Kammer zu der Erkenntnis gekommen seien, die Baustopp-Beschlüsse des VG seien „rechtsfehlerfrei“. Die Beschwerden vor dem OVG böten mithin wenig Erfolgsaussicht. Schmidt-Trenz mag das weder bestätigen noch dementieren. Allerdings habe er „unsere Juristen im Hause“ befragt und aus deren Antworten „Schlüsse gezogen“.
Vor allem den, öffentlichen Druck für den Riesen-Airbus zu machen. In Zeitungsanzeigen warben gestern Kammer, Airbus und IG Metall in einer konzertierten Aktion für den Bau des A380 in Hamburg. Und heute gehen sie dafür in der City demonstrieren. Ohne das OVG beeindrucken zu wollen, natürlich. Sven-Michael Veit
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