: Anwalt reinrassiger Schweine
Nazi-Anwalt Rieger wollte in Schweden ein germanisches Landkollektiv gründen. Keiner kam. Nun züchtet er reinrassige Schweine. Denen geht’s schlecht
aus Mariestad ANDREAS HAGLIND
Die Ankunft des Anwalts konnte kaum übersehen werden. Eines der ersten Dinge, die der Jurist aus Deutschland in das Gutshaus Sveneby Säteri brachte, war ein Wappen aus dem Zweiten Weltkrieg – in den Farben der Wehrmacht, mit dem Eisernen Kreuz zu beiden Seiten.
Sveneby Säteri liegt zwischen den kleinen Gemeinden Töreboda und Mariestad in einer nur dünn besiedelten Gegend. Ein burgähnliches Anwesen aus dem 17. Jahrhundert – 18 Zimmer, Marmorkamin, wertvolle Tapeten und Kronleuchter, dazu 650 Hektar Land – im ländlichen Westen von Schweden. Im Mai 1995 kam der Rechtsanwalt Jürgen Rieger aus Hamburg hierher. Für 17 Millionen schwedische Kronen, etwa 3 Millionen Mark, kaufte er den ehemaligen schwedischen Besitzern das stattliche Herrenhaus samt Land ab. „Hätte ich bloß eine Ahnung gehabt, ich hätte nie an ihn verkauft“, sagte die einstige Besitzerin Monika Willers, nachdem die Transaktion bekannt wurde.
Jürgen Rieger wollte dort ein „germanisches Landkollektiv“ gründen, dessen Mitglieder der „nordisch-blonden“ Rasse entsprechen sollten. Der Anwalt begann, Familien zu rekrutieren, indem er Anzeigen in rechtsgerichteten Zeitungen wie Nation & Europa in Deutschland schaltete. Sein Ziel: ein Leben, „frei von Indoktrinierung, Ausländerinvasion und Drogen“.
„Wenn es einen Weg gegeben hätte, Rieger davon abzuhalten, Sveneby zu erwerben, hätten wir es getan“, sagt der frühere Chef des Gemeinderats von Töreboda, Ingegert Karlsson. „Er ist kein Bürger, den man in seiner Gemeinde haben will. Aber wir hatten weder die Mittel noch die rechtlichen Möglichkeiten, ihn aufzuhalten“, sagt der sozialdemokratische Politiker.
Die Siedlungspläne des deutschen Anwalts schlugen fehl. Nur wenige Familien meldeten sich auf die Anzeigen, und diejenigen, die sich meldeten, konnten nicht das Geld aufbringen, um zu emigrieren und in Schweden ein neues Leben zu beginnen – sagt Jürgen Rieger. So ist das Haupthaus von Sveneby bis heute unbewohnt, wenn der Anwalt sich in Deutschland aufhält. Dennoch meint Jürgen Rieger, dass die Investition sich gelohnt habe. Schließlich wird Sveneby ein sicherer Zufluchtsort für ihn selbst, seine Frau und die zwei Kinder sein, wenn der Rassenkrieg in Deutschland beginnt.
Denn ein solcher Krieg in Deutschland ist nach Angaben von Rieger unausweichlich. Die Zuwanderung illegaler Emigranten und die Konflikte zwischen Christen und Muslimen würden zu größeren Auseinandersetzungen führen. „Das ist das Ergebnis einer Politik offener Grenzen. Dasselbe wird in Schweden geschehen, wenn die Politik dort nicht sofort geändert wird und die Grenzen geschlossen werden“, sagte Jürgen Rieger in einem Interview für den schwedischen Kanal 4. Er jedenfalls würde nicht einen einzigen Schwarzen auf seinem Besitz dulden. „Bald wird es keine reinen Rassen mehr geben. Mich stören andere Rassen nicht, solange sie in ihren eigenen Ländern bleiben und sich nicht mit anderen Rassen vermischen“, so Rieger.
Seit 1996 hat der Anwalt aus Deutschland für sein schwedisches Projekt jährlich umfangreiche Zahlungen der EU erhalten. Eine Tatsache, die Nachbarn wie Politiker in Aufruhr versetzt hat. Was ursprünglich als „germanisches Landkollektiv“ geplant war, wird nun jährlich mit 1,5 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 400.000 Mark) unterstützt. Denn auf Sveneby wird angeblich ökologische Viehhaltung betrieben. Einwände schwedischer und deutscher Politiker gegen die Zahlungen blieben ohne Erfolg – bei der Bereitstellung des Geldes berücksichtigt die EU grundsätzlich keine politischen Einwände. Und auch die jetzt bekannt gewordenen katastrophalen Zustände auf seinem Hof (siehe unten) ändern daran zunächst nichts.
Kaum einer der Menschen, die in Sveneby leben, wagt es gegenüber Reportern, offen über Jürgen Rieger und sein Anwesen zu sprechen. Jeder hier weiß inzwischen um die Identität des Nazi-Rechtsanwalts und Rechtsextremisten Jürgen Rieger. „Er hat bis heute noch nichts getan, aber man kann nie wissen. Die meisten von uns haben Kinder, und man soll kein Risiko eingehen“, sagt ein Nachbar, der seinen Namen nicht nennen will. Als lokale Medien über Anwalt Rieger berichteten, gab es Bombendrohungen gegen die örtliche Fernsehstation. Eine Bedrohung, die die Polizei ernst nahm – sie verschärfte die Sicherheitsmaßnahmen. Auch jetzt noch werden Sveneby und Umgebung überwacht, heißt es bei der Polizei.
Der Rechtsanwalt aus Deutschland indes versteht nicht, warum so großes Aufheben von ihn gemacht wird. „Ich bin hier nicht aus politischen Gründen. Ich wurde zwar gefragt, ob ich eine rechtsgerichtete Organisation leiten wolle, aber ich habe das abgelehnt“, sagt Jürgen Rieger. Er behauptet nachdrücklich, kein Nazi zu sein, und bezeichnet sich selbst als einen rechten Konservativen (siehe Kasten). Wenn Rieger nach den vielen Autos mit deutschem Kennzeichen auf Sveneby gefragt wird, behauptet er, dass dort keine Treffen von Rechten stattfinden. Seine Gäste seien „Vogelkundler“.
Andere Aufregungen um den deutschen Anwalt in Schweden sind weniger ernster Natur. Die rassisch reinen und seltenen Schweine „Linderödssvin“, die Rieger auf seinem Gut züchtet, haben im vergangenen Mai die Zäune durchbrochen und Gärten in einer Entfernung von mehreren Kilometern verwüstet. Riesters Entschuldigung: Seine schwedischen Vorarbeiter seien nachlässig und unehrlich. Ab sofort sollen Deutsche die Schweine bewachen.
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