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Zweifel an rechtsextremem Tatmotiv

Wegen Mordes an einem Sozialhilfeempfänger stehen seit gestern vier rechte Jugendliche vor dem Landgericht

Vor dem Landgericht müssen sich seit gestern vier rechte Jugendliche wegen Mordes an einem 60-jährigen Sozialhilfeempfänger verantworten. „Assiklatschen“ nannten sie das, was sie Dieter E. in der Nacht vom 23. zum 24. Mai 2000 in seiner Wohnung in Pankow angetan haben. Zunächst hatten sie den im Bett liegenden Mann mit stahlkappenbesetzten Springerstiefeln zusammengetreten. Um nicht als Täter erkannt zu werden, waren sie wenig später in die Wohnung des Mannes zurückgekehrt, um diesen mit einem Messer zu töten. Schließlich waren sie noch ein drittes Mal gekommen, um die Spuren an den Türen und Lichtschaltern abzuwischen.

Im vergangenen November hatte der Prozess schon einmal begonnen, musste aber auf Grund der Erkrankung eines Richters ausgesetzt werden. Die vier jungen Männer im Alter von 17 bis 21 Jahren sitzen seit der Tat in Untersuchungshaft, der jüngste befindet sich im geschlossenen Jugendarrest Haus Kieferngrund. Was das Tatmotiv angeht, hält sich die Staatsanwaltschaft merkwürdig bedeckt. Dabei hatten die Vier gegenüber der Polizei selbst bekundet, dass sie sich der rechten Szene zugehörig fühlen, an Kameradschaftstreffen teilgenommen haben, bei denen sich auch der Neonaziführer Arnulf Priem blicken ließ. Auch durch Sieg-Heil-Rufe waren sie schon in dem Hochhaus aufgefallen, in dem einer der beiden Hauptangeklagten und der Sozialhilfeempfänger Dieter E. in verschiedenen Stockwerken wohnten. Kurz vor der Tat hatten sie einen Afrikaner wegen dessen Hautfarbe in einer Grünanlage angepöbelt. Das alles besagt für den Oberstaatsanwalt Michael von Hagen aber noch lange nicht, dass die rechte Gesinnung der Angeklagten auch im Fall von Dieter E. treibendes Motiv war: „Nicht jede Tat eines Rechtsgerichteten ist automatisch eine rechtsgerichtete Tat.“ Treibende Kraft könne auch „die Lust auf Gewalt“ gewesen sein. Der rechtsradikale Hintergrund der Angeklagten soll an einem gesonderten Prozesstag erörtert werden.

Gestern wurden sie zu der Tat an sich vernommen, zunächst der jüngsten der Angeklagten. Der 17-Jährige sagte, dass die Idee, „einen Asozialen zu verprügeln“ von einem der beiden Hauptangeklagten gekommen sei. Zuvor habe man rechte Musik gehört und Alkohol getrunken. Die beiden Hauptangeklagten hätten später auch vorgegeben, dass der Mann „ruhiggestellt werden muss“. Er selbst, so der 17-Jährige, habe sich nicht aktiv beteiligt. Zum psychiatrischen Sachverständigen hatte er gesagt, dass der Hauptangeklagte, der das Messer führte, „richtig stolz“ darauf gewesen sei, seinen „ersten Menschen abgestochen“ zu haben. PLUTONIA PLARRE

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