die stimme der kritik: Betr.: BSE aus der Steckdose
Jetzt neu! Noch mehr Rinderwahn!
Es hat sich etwas geändert in diesem Land. Stellte man sich früher, um einen gepflegten Albtraum erleben zu können, kurz vor dem Einschlafen noch Horden von mit Beilen, Schwertern und Äxten bewehrten Unholden vor, genügt heutzutage schon ein kleiner kurzer Gedanke ans Kühlregal im Supermarkt um die Ecke, um dauerhaft jeden Schlaf zu unterbinden. Gut, wir essen also keine Wurst und kein Fleisch mehr, weil das gefährlich sein könnte (die taz berichtete). Dann wieder wurden wir vor den Gefahren des totalen Fleischverzichts gewarnt – Gereiztheit, Haarausfall und verminderte geistige Leistungsfähigkeit drohen (die taz berichtete). Und jetzt: der neueste Wahnsinn.
„Immer mehr Tiermehl wird in Kohlekraftwerken verfeuert und geht damit in die Stromerzeugung ein“, meldete gestern die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Claus Andreas, den Sprecher der Saria Bio-Industries AG & Co im westfälischen Selm. Das Unternehmen ist mit elf Fabriken einer der größten Tiermehlproduzenten in Deutschland.
Ja, sind die denn von allen guten Geistern verlassen? Da drohen doch nur wieder neue Gefahren! Denn, und davor verschließen wir nur zu gerne die Augen, der Übertragungsweg des BSE-Virus ist noch völlig ungeklärt (die taz berichtete das doch auch!). Kommt es übers Futter in die Kuh? Bringt es ein böser BSE-Bote vorbei? Oder ist alles doch ganz anders? Keine Ahnung haben wir, keine Ahnung hat auch Renate Künast, und genauso wenig Ahnung hat die sonst doch so gut informierte Wissenschaft. Selbst die besten Wissenschaftler der Welt, die US-Wissenschaftler, tappen völlig im Dunkeln bzw. tap in darkness. Umso unverständlicher nun die Einspeisung des BSE-Horror-Mehls in unseren Stromkreislauf. Dabei sollte eigentlich auf der Agenda eines jeden Politikers stehen, dass hier auf Maßnahmen zum Schutze aller nicht verzichtet werden darf.
Man stelle sich vor: Der perfide BSE-Erreger findet einen Weg über das Stromnetz in unser aller Haushaltsgeräte. Selbst bisher sich in totaler Sicherheit wähnende Gruppen wären erledigt. Denn: Auch Vegetarier benutzen Strom. Es gibt keine Möglichkeit mehr, sich zu schützen.
Über den Föhn wird BSE in unsere Haare kriechen, über die elektrische Zahnbürste in unsere Mundhöhlen. Und wer seinen Herd mit Elektrizität betreibt, ist besonders übel dran: Der hat BSE bald auch noch im Essen. Und das gilt es doch unter allen Umständen zu vermeiden. STEFAN KUZMANY
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