„PID ist in Deutschland verboten“

Für Monika Knoche, Grünen-Gesundheitspolitikerin und Mitglied in der Enquetekommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“, ist der Gen-Check von künstlich gezeugten Embryonen nach dem Embryonenschutzgesetz eindeutig verboten

Interview: WOLFGANG LÖHR

taz: Wie schätzen Sie die Äußerungen der neuen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ein, die einen Kurswechsel in der Biomedizin ankündigen?

Monika Knoche: Im Augenblick ist die Diskussion sehr aufgeregt und undurchsichtig. Die SPD wird ja nicht müde zu betonen, dass sie in der Gentechnik eine Wende will. Jenseits von Fundamentalismus mehr Pragmatismus lauten die politischen Kampfbegriffe. Die Forderung nach einem nationalen Ethikrat signalisiert, dass regierungsseitig eine Distanz zur fraktionenübergreifenden parlamentarischen Enquetekommission besteht. Konkrete Vorstellungen, was nun anders werden soll, gibt es indes nicht. Nur dass Frau Ministerin Schmidt kein Fortpflanzungsmedizingesetz vorlegen will, ist bisher bekannt und dass sie für eine Legalisierung der eugenischen Selektion bei künstlich erzeugten Embryonen eine prinzipielle Offenheit hat.

Sehen Sie auch keinen Handlungsbedarf beim Forschen mit embryonalen Stammzellen?

Wir haben mit dem Embryonenschutzgesetz eine sehr feste und sehr sichere Rechtsgrundlage. Mit diesem Gesetz ist eine Trendwende bei der Nutzung von Embryonen ohnehin nicht möglich. Auch die Äußerungen aus dem Justiz- und dem Forschungsministerium sind da sehr eindeutig, dass sowohl die Embryonen- als auch die Stammzellforschung, die auf den Zugriff auf In-vitro-Embryonen angewiesen ist, in Deutschland nicht erlaubt sind und auch nicht erlaubt werden soll. Deshalb sehe ich die Aussage, das Fortpflanzungsmedizingesetz solle in dieser Legislaturperiode nicht auf der Agenda bleiben, als nicht sonderlich dramatisch an.

Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft liegt derzeit ein Antrag eines Bonner Wissenschaftlers vor, der mit importierten Stammzellen arbeiten möchte. Das Arbeiten mit importierten Stammzellen ist bei uns nicht verboten.

Wenn es dazu einer rechtlichen Klarstellung bedarf, dann sollte man die machen. Ich bin der Auffassung, dass man hier eine ähnliche Regelung finden muss wie beim Transplantationsgesetz: Was in Deutschland nicht erlaubt ist, darf auch nicht via Import Realität werden.

Es sieht aber so aus, als wenn die Politik der Wissenschaft die Entscheidung überlässt, ob mit importierten Stammzellen geforscht werden soll, die mit hier zu Lande nicht erlaubten Methoden hergestellt wurden.

Wenn dem so wäre, dann käme man meines Erachtens der Verantwortung gegenüber der Wissenschaft nicht nach. Es ist die uns übertragene Aufgabe, nicht nur die Normen und die Grenzen zu wahren, sondern auch klar zu definieren, was erlaubt ist. Wenn in Deutschland die Herstellung von embryonalen Stammzellen verboten ist, dann sollten wir auch die Forschung damit nicht zulassen.

Ein ähnliches Problem besteht doch auch bei der Präimplantationsdiagnostik, der PID. Die Gesundheitsministerin will der Ärzteschaft überlassen, unter welchen Bedingungen PID zulässig ist. Werden hier die Ärzte entscheiden?

Das wird nicht der Fall sein. Als die Bundesärztekammer ihren Richtlinienentwurf für PID vorlegte, hat sie äußerst scharfe Proteste auch in ihren eigenen Reihen provoziert. Aus gutem Grund hat sie damals auf einer politischen Entscheidung bestanden. Die Bundesärztekammer kann und darf keine Richtlinien erlassen, die eine Indikation für eine eugenische Selektion – für eine Bewertung nach lebenswert und lebensunwert – festschreiben. Da steht auch das Embryonenschutzgesetz davor. Es gibt hier weder einen Interpretationsspielraum noch kann man daraus einen ärztlichen Behandlungsauftrag zur Präimplantationsdiagnostik ableiten. Das weiß auch die Bundesärztekammer.

Aber ist die Frage, ob PID mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist, nicht auch unter Rechtsexperten umstritten?

Die rechtliche Vorgabe ist eindeutig. Der Status des Embryos ist zweifelsfrei geklärt. Eine Diagnostik zum Zwecke der Verwerfung – denn darum geht es – ist nicht erlaubt. In dem Moment, in dem man dem In-vitro-Embryo die Schutzwürdigkeit nicht zugesteht, werden für jedwede andere Interessenlagen an ihm neue Abwägungsgründe geltend gemacht. Und wo läge dann die Grenze?

Die Ärzte argumentieren damit, dass sie eine Schwangerschaft auf Probe verhindern wollen und es ja keinen Unterschied zu einer späteren, nach einer Pränataldiagnostik vorgenommenen Abtreibung gebe.

Die Argumentation, die in Teilen der Ärzteschaft geführt wird, ist nahezu akrobatisch. Sie beruht darauf, dass sie einen möglichen, aber real noch nicht existierenden existenziellen Schwangerschaftskonflikt vorbeugend vermeiden wollen, indem ein künstlich berfruchteter Embryo genetisch untersucht wird und bei Nichtgefallen verworfen wird. Damit wird ein Wertungswiderspruch zwischen Embryonenschutzgesetz und Paragraf 218 imganiniert, der jeder Grundlage entbehrt. Es gibt bei der PID keine schwangere Frau, also kann es auch keinen existenziellen Schangerschaftskonflikt geben.

Aber die Ärztekammer steht doch mit der Position, dass das Embryonenschutzgesetz PID zulasse, nicht alleine da. Auch in der Enquetekommission ist diese Position nach Aussagen der Gesundheitsministerin noch nicht geklärt?

Die Arbeitsgruppe in der Enquetekommission, die sich mit PID, aber auch der Pränataldiagnostik und der In-vitro-Fertilisation beschäftigt, ist insgesamt der festen Überzeugung und hat sich dies auch durch eine juristische Bewertung noch mal bestätigen lassen, dass das Embryonenschutzgesetz keine PID erlaubt. Eine PID wäre nur mit einer Änderung des Embryonenschutzgesetzes möglich. Und da niemand eine Änderung des Gesetzes will – und ich denke, auch die Gesundheitsministerin will das nicht –, ist die Frage eindeutig geklärt: PID ist in Deutschland verboten.

Jetzt muss ich doch zitieren. In einem Interview in der Berliner Zeitung sagte die Gesundheitsministerin vor wenigen Tagen wörtlich: „Die Enquetekommission Bioethik des Bundestages hat dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben . . .

Ein solches Gutachten gibt es nicht, wurde nicht und wird auch nicht in Auftrag gegeben.

. . . das Mitte 2001 vorliegen soll.“

Die Enquetekommission hat ein Gutachten in Auftrag gegeben über „Leiblichkeitskonzept und Menschenwürde – Selbstbestimmung und Fremdverfügung über so genanntes biologisches Material aus verfassungsrechtlicher Sicht“. Das befasst sich aber nicht mit der Frage, ob PID mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist. Die Enquetekommission ist der Auffassung, dass es keiner rechtlichen Begutachtung des Status des Embryos bedarf. Dazu gibt es hinreichend Material und wissenschaftliche Arbeiten. Die PID-Arbeitsgruppe ist einhellig der Auffassung, dass es keiner Klärung der Zulässigkeit von PID vor dem Hintergrund des Embryonenschutzgesetzes bedürfe. Also nochmal: Es gibt keinen Auftrag und wir sehen als Enquetekommission auch nicht die Notwendigkeit, eine solche Begutachtung durchführen zu lassen. Wer den Embryo in vitro zur Disposition stellt, aus welchen Gründen auch immer, muss das Embryonenschutzgesetz ändern.