OHNE KWK-AUSBAU IST DAS KLIMAZIEL KAUM ERREICHBAR
: Hoffen auf die Rechenfüchse

Es gibt ein Problem mit der Erwärmung der Atmosphäre: Weder verlangsamt sie sich, noch hört sie auf, wenn man sie ignoriert. Auch wenn eigentlich niemand etwas vom Klimaschutz wissen will – die Gletscher schmelzen, und die Stürme verstärken sich. Bis zu 600 Milliarden Mark kann der so genannte Treibhauseffekt insgesamt kosten, vom menschlichen Leid durch die Katstrophen ganz zu schweigen. Um dem entgegenzusteuern, hat die rot-grüne Regierung das ehrgeizige Klimaziel der Regierung Kohl bestätigt: 25 Prozent weniger Kohlendioxid will Deutschland 2005 in die Luft blasen als noch 1990.

So weit der politische Wille. In der Realität ist das Klimaziel weitaus schwerer zu erreichen. Bisher sind etwa 16 Prozent Reduktion erreicht. Im Klimaschutzprogramm vom Oktober kam die Regierung mit Ach und Krach auf die ersehnten 25 Prozent. Zentraler Baustein dieser Reduzierung ist die Verdopplung der Stromerzeugung aus hoch effizienten Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung. „Ohne KWK geben wir das Klimaziel auf“, so einfach sehen die Grünen und das Umweltministerium das Problem. Weil Wirtschaftsminister Müller öffentlich gegen eine Quote für KWK-Strom Front gesprochen hat, ist die Frage: Gibt es eine Alternative zum Showdown zwischen Müller und Trittin?

Die Industrie hat getan, was sie immer tut, um Umweltauflagen abzuwenden: Eine freiwillige Selbstverpflichtung soll es richten. Mit Recht ist Trittin da misstrauisch. Denn das Konzept der Industrie ist bisher eine Luftnummer. Fraglich ist, ob die freiwilligen Vereinbarungen ohne direkte Sanktionen überhaupt wirken. Denn trotz einer Selbstverpflichtung der Unternehmer steigt der CO2-Ausstoß wieder an; auch das Scheitern der Mehrwegquote bei der Verpackungsverordnung zeigt, dass Selbstverpflichtungen kaum wirken.

Die Regierung hofft jetzt auf ihre Rechenfüchse. Wenn die einen Kompromiss hinrechnen können, wie mit weniger KWK und zusätzlichen anderen Maßnahmen weniger CO2 anfällt, ist alles in Butter. Das aber wird schwer. Denn schon das jetzige Konzept basiert auf dem Geldregen aus den UMTS-Lizenzen bei der Wärmedämmung und findet keine Antwort auf die ansteigende CO2-Belastung aus dem Verkehr. Ohne Kompromiss droht akuter Gesichtsverlust entweder für Müller (bei Beibehaltung der KWK-Quote) oder für Trittin (bei Aufgabe derselben). Politisch wäre es am sinnvollsten, das Thema auf die lange Bank zu schieben. Aussitzen würde das Problem Müller – Trittin entschärfen. Das Problem Treibhauseffekt stellt sich anschließend umso dringender. BERNHARD PÖTTER