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„Zu optimistisch“

Schilys Staatssekretärin räumt überzogene Prognosen bei Zahl der Einbürgerungen ein. Jetzt soll die FDP helfen

BERLIN taz ■ Die große Euphorie ist verflogen. Gut ein Jahr nach Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts räumte die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), gestern ein: „Wir waren wohl zu optimistisch.“ Nach neuesten Schätzungen geht Sonntag-Wolgast davon aus, dass es im vergangenen Jahr „etwa 200.000 Einbürgerungen“ gab. Die Zahl ist für die Bundesregierung enttäuschend – und lässt sich nicht mehr schönreden.

Für Rot-Grün rächt es sich nun, dass man vor einem Jahr übertriebene Erwartungen geschürt hatte. Bei Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsreform im Januar 2000 sprach die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck noch von „einer Million neuer Staatsbürger“, die zu erwarten seien. Sonntag-Wolgast war schon damals zurückhaltender. Aber auch sie träumte von „mindestens einer halben Million“ Anträge.

Nach einem Besuch im Berliner Zentrum für Türkeistudien sagte Sonntag-Wolgast gestern der taz: „Im Nachhinein hätten wir bei unseren Prognosen vielleicht etwas vorsichtiger sein sollen.“ Eine späte Erkenntnis – denn die Zurückhaltung bei den Einbürgerunganträgen war absehbar. Insbesondere die türkischen Interessenvertreter äußerten von Anfang an heftige Kritik an dem neuen Recht, weil es die Neubürger dazu zwingt, ihren alten Pass abzugeben. Nach der verlorenen Hessenwahl hatte Rot-Grün auf den versprochenen „Doppelpass“ verzichtet.

Die Enttäuschung darüber sitzt immer noch tief. So sieht der Direktor des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, in den niedrigen Zahlen „natürlich auch eine Protestaktion vieler Türken“. Die meisten Türken, die in Deutschland leben, würden zwar gerne Deutsche werden. Aber „die Beibehaltung der alten Staatsbürgerschaft ist für viele eine emotional sehr wichtige Frage“. Für das Jahr 2000 rechnet Sen deshalb nur mit etwa 134.000 Einbürgerungen türkischer Staatsbürger – bei rund 2,4 Millionen Türken in Deutschland nicht gerade berauschend.

Sonntag-Wolgast wollte offenbar nicht schon wieder falsche Hoffnungen wecken: Für eine Reform der Reform gebe es „im Moment keinen Spielraum“. Verbesserungen könne es vorerst nur in einem Detailbereich geben: Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen Kinder unter 10 Jahren zwei Jahre länger als zunächst geplant den „Doppelpass“ bekommen können. Die entsprechende Ausnahmeregelung war Ende Dezember abgelaufen. Nun wollen SPD und Grüne die Frist bis 2002 verlängern und die Gebühren von 500 auf 100 Mark senken. Allerdings müsste der Bundesrat zustimmen. Sonntag-Wolgast setzt dabei auf „die Rolle der FDP“ in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. LUKAS WALLRAFF

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