: Folteropfer suchen Gerechtigkeit
In Kenia gehören Folter und Mord seitens der Staatsmacht zum Alltag. Besonders auf dem Land können die Leute wenig dagegen tun. Die Organisation „People Against Torture“ bietet Rechtshilfe an – aber der Hürden sind viele
KISII taz ■ Norah Monari schaut auf ein unscharfes Farbfoto. „Das ist mein Sohn Charles“, sagt sie. „Eines Abends vor fünf Monaten hörte ich ihn um Hilfe schreien. Dann hörte ich die Stimme von Charles Mogaka, dem Vize des Dorfvorstehers. Ich rannte zu dem Haus meines Sohnes, aber ich wurde verjagt. Ich sah noch, wie mein Sohn weggeschleppt wurde. Später erfuhr ich, dass man ihn in ein Krankenhaus gebracht hatte, wo er nach einigen Tagen starb.“
Charles Monari stammte aus dem Dorf Bossingi in Kisii, einer Region im Südwesten von Kenia. Nach offiziellen Angaben starb er an Malaria, nach Meinung der Dorfbewohner an den Folgen von Folter. Augenzeugen sahen, wie er bewusstlos ins Polizeibüro geschleppt wurde. Grund war angeblich, dass der Vize-Dorfvorsteher ein Verhältnis mit der Frau des Opfers einzugehen suchte.
Die Familie Monari erhob nach dem Tod des Sohnes Anklage, zog diese aber zurück, nachdem der Dorfvorsteher Besuch vom Bruder seines Vize bekam. Der Bruder ist ein hoher Provinzbeamter und hat hervorragende Beziehungen zur Regierungspartei Kanu.
Einige Kilometer entfernt von Bossingi liegt das Dorf Gekano. Dort warten Menschen auf die Anwälte von „People Against Torture“, um sich beraten zu lassen. „People against Torture“ (PAT – Menschen gegen Folter) ist eine Rechtshilfeorganisation, die mithilfe niederländischer Gelder Kenias Landbevölkerung über ihre Rechte aufklärt und ihr die Möglichkeit gibt, gegen folternde Staatsbeamte zu klagen.
Der Koordinator des PAT, Kang’ethe Mungai, gründete die Organisation vor drei Jahren. Er selbst hat sechs Jahre für seine politischen Überzeugungen im Gefängnis verbracht und kennt die Foltermethoden der Regierung. „Folter in Kenia ist keine raffinierte Kunst. Es wird geschlagen und getreten. Männer schlägt man auf die Testikel, Frauen werden Dinge in die Vagina gesteckt.“
Die Dorfbewohner in Gekano haben Pech an diesem Tag: Die geplante Zusammenkunft wird abgesagt. In der Nacht zuvor ist ein katholischer Priester im Dorf während eines Überfalls schwer verwundet worden. Sein Kollege Bernard Nyangeri vermutet, dass es ein Mordanschlag war. „Bewaffnete Männer drangen in sein Haus ein“, berichtet er. „Sie waren dort mindestens zehn Minuten, ließen aber den Fernseher, einen Computer, ein Mikroskop und einen gefüllten Klingelbeutel stehen. Ich glaube, sie wollten ihn töten. Er hat jeden Sonntag in der Kirche über Menschenrechte gesprochen.“
Die PAT-Mitarbeiter glauben nicht an einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und ihrem geplanten Besuch in Gekano. „Die Kirchen kritisieren die Regierung immer öfter“, sagt PAT-Koordinator Mungai. „Immer häufiger werden die Geistlichen Opfer von Anschlägen.“
ILONA EVELEENS
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