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Ost und West streiten um rechts

Die neuen Länder seien „nicht rechtsextremistischer“ als die alten, glaubt Thüringens Innenminister Köckert

BERLIN taz ■ Der thüringische Innenminister Christian Köckert (CDU) hat am Wochenende erneut die vom Bund vorgelegten Zahlen zum Rechtsextremismus kritisiert. Es gebe eklatante Verzerrungen bei der ungleichen Erfassung, kommentierte er die jüngst von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) präsentierten Zahlen.

Nach der Bundesstatistik stiegen die Gewaltdelikte gegen Ausländer von knapp 400 im Jahr 1999 auf 553 im vergangenen Jahr an. Die Hälfte der Taten sei in den neuen Ländern begangen worden, obwohl der ostdeutsche Bevölkerungsanteil nur 21 Prozent betrage, so Schily.

Köckert hingegen zweifelt die Zahlen an, weil Bund und Länder ein unterschiedliches Meldesystem haben.„Man kann uns doch nicht bestrafen, weil wir die ehrlichste Statistik haben“, sagte Andreas Karmrodt, Pressesprecher des Thüringer Innenministeriums, gestern gegenüber der taz. So würden alle Delikte mit rechtsextremen Hintergrund unter politischen Gewaltdelikten verbucht. In anderen Ländern würden solche Taten oftmals als Hausfriedensbruch oder Körperverletzung eingeordnet. Um in Zukunft Vergleichbarkeit der Länderstatistiken zu gewährleisten, werde Thüringen ab März zusätzlich zu den eigenen Daten die des BKA und eine Vergleichstatistik der anderen Länder im Verfassungsschutzbericht ausweisen.

Auch die anderen Ost-Innenminister warfen Schily vor, den Osten Deutschlands als Hort des Rechtsextremismus zu stigmatisieren. Der sächsische Minister Klaus Hardraht (CDU) sagte, er empfinde die „pauschale Behauptung, dass der Osten ein Schwerpunkt der rechten Gewaltkriminalität sei, als wenig hilfreich“. Der Berliner Politologe Hajo Funke misstraut den Daten ebenfalls – aber aus anderem Grund: Die Dunkelziffer sei erheblich höher. Der stellvertretende Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Rikola Lüttgenau, berichtete im Rundfunk von einem regelrechtem „Tourismus“ rechtsextremistischer Jugendlicher zu den früheren Lagern: Sie identifizierten sich „mit der Nazi-Vernichtungspolitik“. Auf Initiative von Schily sollen die Länder nun alle Straftaten mit politischem Hintergrund in einer gesonderten Datei registrieren. Dagegen sperrt sich nach Spiegel-Recherchen Mecklenburg-Vorpommern – offenbar aus Sorge, die Tatzahlen könnten noch weiter steigen. So sollen Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien aus dem Katalog genommen werden.

SEBASTIAN FISCHER

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