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Unser Mann aus Bonn

Aus Anlass der Verfilmung seines Romans „Der Schneider von Panama“ ist John Le Carré wieder einmal dienstlich in Berlin. Ein Gentleman-Autor mit etwas schäbiger Krawatte

Er ist sichtlich angetan von Pierce Brosnan, und wir sind eingenommen von ihm, die Kollegin vom Radio und ich, nach dem Interviewtermin mit John Le Carré. Er schwärmte vom Hauptdarsteller in John Boormans Verfilmung seines Romans „Der Schneider von Panama“ und nannte ihn einen „sexy actor, animal actor“. Und er selbst ist ebenfalls hinreißend: Ein älterer Herr zwar von 69 Jahren, aber dafür ein gentleman author, civilized author, hoch gewachsen, elegant gekleidet, aber nicht zu perfekt.

Die schräg gestreifte Krawatte zum Beispiel, die Eingeweihte mit Sicherheit als die einer bestimmten Universität dechiffrieren würden – vielleicht Eton, wo Le Carré unterrichtete – ist schon ein bisschen schäbig. Dafür entschädigt das gepflegte, volle weiße Haar des Autors. Vor allem aber ist es die Stimme, die fasziniert. Sagt die Kollegin vom Radio, und das kommt nicht nur aus einer déformation professionelle. John Le Carré spricht wirklich so, dass man gerne zuhört. Und wenn er ein paar Sätze auf Deutsch sagt, dann vollkommen akzentfrei.

John Le Carré kennt Berlin. Zum ersten Mal war er 1948 hier. Dann wieder 1961, als die Mauer gebaut wurde, aber da war er schon als Mitarbeiter des Geheimdienstes MI 6 zu Gange. Nach dem Fall der Mauer bestaunte er die Stadt als „größere Baustelle als Shanghai“.

Wäre er jemals Autor von Spionageromanen geworden, wenn Berlin nicht geteilt, also der kalte Krieg voll entbrannt gewesen wäre? Ja, das glaubt er schon: „Ich bin in eine konspirative Situation hineingeboren worden. Ich glaube, ich bin mit fünf Jahren ein Spion geworden. Als meine Mutter verschwand, und mein Vater – eine Art unattraktive Version von Felix Krull – entweder ins Gefängnis ging oder gerade wieder herauskam.“ Es war die beängstigende Welt der Erwachsenen, die ausspioniert werden musste. Damit man überlebte, mit den Vorgaben klar kam. „Denn es galt die Annahme, dass wir trotz allem Gentlemen sein sollten. Wir lernten die Sprache von Gentlemen, und wir zogen uns an wie Gentlemen.“

Nach dem Studium in der Schweiz und Oxford wurde er 1949 Mitarbeiter des britischen auswärtigen Dienstes in Deutschland. Zunächst in Bonn, jener kleinen Stadt in Deutschland, die seinem fünften Roman den Titel gab; danach als Konsul in Hamburg. Sein drittes Buch, der Bestseller „Der Spion, der aus der Kälte kam“, erlaubte es ihm, den Dienst zu quittieren, um nur noch als Schriftsteller zu leben.

Inzwischen aber auch als Drehbuchautor, wo es darum geht, „wie man aus der Kuh Bouillon macht – also aus dem Buch einen Film“. Er meint, es sei beim Boorman-Film ganz gut gelungen. Der Film habe Energie, Ironie, er sei bitter, traurig, aber er sei auch lustig. Mehr könne man nicht verlangen. Brosnan habe seine Rolle gemocht, darin eine Chance gesehen, „James Bond in den Fuß zu schießen“. Was hält er von Bond-Filmen? „Das sind unsere Fantasien: Hey, das könnte ich sein. Ich habe genau anders herum geschrieben: Oje, das könnte ich sein. Ich schreibe für die Opfer, Fleming schrieb für die Helden.“

BRIGITTE WERNEBURG

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