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Einmal im Jahr Demoverbot

Die Behörden dürfen rechtsextreme Demonstrationen am 27. Januar untersagen. Mit dieser Entscheidung wollen die Karlsruher Verfassungsrichter den Holocaust-Gedenktag schützen. Die „öffentliche Ordnung“ erlaube eine Terminverschiebung

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Am Holocaust-Gedenktag, dem 27. Januar, können rechtsextreme Demonstrationen künftig ohne weiteres verboten werden. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Es billigte dabei die Verschiebung einer von dem Hamburger Neonazi Christian Worch angemeldeten Demonstration auf den 28. Januar. Die Begründung des vor zwei Wochen per Eilverfahren ergangenen Beschlusses wurde erst gestern bekannt gemacht.

Worch wollte mit seinen Gesinnungsgenossen am Jahrestag der Befreiung des KZs Auschwitz gegen das Verbot eines rechten Info-Tisches protestieren. Doch die Kundgebung wurde von den Behörden auf einen weniger heiklen Termin verlegt. Worch berief sich dagegen auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, das auch die Wahl des Kundgebungstermins beinhalte.

Das Verfassungsgericht stellte nun klar, wenn die Versammlungsfreiheit mit anderen Rechtsgütern kollidiere, müssten die Behörden eine „Abwägung“ vornehmen. Bei der Suche nach Kompromissen könnten die Demo-Anmelder allerdings im Rahmen des „Kooperationsprinzips“ mitwirken. Im Fall Worch ließen die Verfassungsrichter nun auch die „öffentliche Ordnung“ als entgegenstehendes Rechtsgut gelten. Unter den Begriff fallen Regeln, die nicht gesetzlich fixiert, aber nach den herrschenden Anschauungen „für ein geordnetes Zusammenleben unerlässlich“ sind.

Zwar könne mit der öffentlichen Ordnung kein Demonstrationsverbot begründet werden, sehr wohl jedoch eine Terminverschiebung. So sei es „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“, meinte Karlsruhe, wenn einer Kundgebung rechter Kameradschaften am Holocaust-Tag eine „Provokationswirkung“ beigemessen und dies „als Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Bürgerinnen und Bürger“ bewertet werde. Dagegen habe Worch angegeben, er wolle nicht gezielt an diesem Gedenktag demonstrieren. Ihn habe nur die Verlegung vom Samstag auf den publikumsarmen Sonntag gestört.

Die Maßstäbe des Gerichts dürften sich auch auf die freie Wahl des Demonstrationsortes übertragen lassen. Eine rechte Demonstration an Holocaust-Gedenkstätten ließe sich damit ohne weiteres verbieten. Möglicherweise erübrigen sich dadurch Pläne der Innenminister von Bund und Ländern, das Demonstrationsrecht gesetzlich zu verschärfen. Allerdings dürfte bei Demonstrationen an eher unpolitischen „nationalen Symbolen“ wie dem Brandenburger Tor der Hinweis auf das sittliche Empfinden der Bevölkerung auch künftig nicht genügen. In den letzten Tagen erhielt Worch noch einen zweiten Dämpfer aus Karlsruhe. Er muss 3.000 Mark Missbrauchsgebühr zahlen, weil er Karlsruhe mit bereits geklärten Fragen befasst hatte.

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