: Neun Jahre für Klein-Klein
Frankfurter Landgericht verurteilt Hans-Joachim Klein wegen Wiener Opec-Überfalls 1975 zu neun Jahren Haft. Kronzeugenregelung angewendet, Freispruch für Mitangeklagten Schindler
FRANKFURT/M taz ■ Zu neun Jahren Gefängnis wegen dreifachen vollendeten Mordes, Mordversuchs und Geiselnahme verurteilte die 21. Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichts gestern Nachmittag den Hauptangeklagten Hans-Joachim Klein (53). Den wegen Beihilfe mit angeklagten Rudolf Schindler (57) sprach das Gericht frei. Seine Tatbeteiligung am Überfall auf die Ministerkonferenz Erdöl exportierender Länder (Opec) am 21. Dezember 1975 in Wien sei nicht erwiesen.
Der Vorsitzende Heinrich Gehrke verwies auf die schwierige Wahrheitsfindung nach „einem Vierteljahrhundert“ vergangener Zeit. Tatzeugen seien kaum noch aufzutreiben oder so unglaubwürdig gewesen wie der in Paris vernommene damalige Kommandeur der Attentäter, Illich Ramirez Sanchez, genannt „Carlos“. Erinnerungen hätten sich vermischt, Spuren seien schon damals nachlässig gesichert worden. Schindler sei zwar zweifelsohne Mitglied der am Attentat beteiligten Revolutionären Zellen (RZ) gewesen. Für seine Mittäterschaft aber habe die Staatsanwaltschaft außer der Aussage von Klein keinen einzigen Beweis vorgelegt.
Dennoch begründete das Gericht die bei Mord relativ milde Zeitstrafe für Klein mit der Anwendung der Kronzeugenregelung. Die Tat sei zwar „verachtenswert auf niedrigster Stufe“. Die drei Morde hätten der Vorbereitung der Geiselnahme der Erdölminister und ihrer Begleiter gedient. Kleins Verhalten aber habe den Ermittlungsbehörden – auch ohne eine Verurteilung Schindlers – schon früher geholfen. Seinem Ausstieg und die Loslösung vom Terrorismus habe er 1977 „mutig und nach außen sichtbar“ in die Tat umgesetzt, indem er vor weiteren geplanten Anschlägen der RZ warnte. Dafür habe er ein Leben in Angst vor Racheakten durch die ehemaligen Kampfgenossen der RZ, die Palästinenser oder den libyschen Geheimdienst auf sich genommen und zudem noch die deutschen Strafverfolgungsbehörden zu fürchten gehabt. In seinem 1979 erschienenen Buch habe er Strukturen des Terrorismus offen gelegt.
Richter Gehrke hatte zu Beginn der Urteilsbegründung ausdrücklich kritisiert, dass seine Vorladung des Bundesaußenministers Fischer als Zeuge für die Zeit Kleins vor dem Attentat nicht hatte bezwecken sollen, dass dieser „erhebliche Schwierigkeiten“ bekomme. Fischer habe, ebenso wie der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit und der Kabarettist Matthias Beltz, „offen und seriös“ ausgesagt. Die Frankfurter Sponti-Szene, der sich Klein ab 1975 entfremdet habe, habe auch während des Häuserkampfes eher zu relativer Gewaltfreiheit geneigt. Die „Putzgruppe“ von Fischer und seinen Freunden sei nur als „lächerlicher Versuch“ zu werten, sich zu wehren und „nicht immer nur verprügelt zu werden“. Da gebe es, gab Gehrke zu bedenken, andernorts „unter der Decke der friedlichen, wiedervereinigten Republik“ offensichtlich „noch viel aufzuarbeiten“. HEIDE PLATEN
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