: Riesenvogel verjagt Möwen
Hamburger Oberverwaltungsgericht hebt Baustopp für die Erweiterung des Airbus-Werkes unter Zeitdruck auf. Für den A 380 wird das größte Süßwasserwatt Europas trotz Naturschutz zerstört
aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT
Der Riesen-Airbus A 380 darf in Hamburg gebaut und das größte Süßwasserwatt Europas, das Mühlenberger Loch, dafür zerstört werden. Das hat gestern faktisch das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) in einer Eilentscheidung angeordnet. Es hob den Baustopp auf, den das Verwaltungsgericht im Dezember und Januar auf Antrag von vier AnwohnerInnen verfügt hatte. Gegen die Entscheidung bleibt den KlägerInnen nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof. Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) kündigte umgehend den Baubeginn für morgen an.
In dem Verfahren ging es nicht darum, ob die Erweiterung des bestehenden Hamburger Airbus-Werks in das Vogelschutzgebiet hinein endgültig rechtmäßig ist, sondern lediglich um die Aufhebung des Baustopps. Das Gericht kam in seiner „Interessenabwägung“ zu dem Ergebnis, dass die Nachteile eines weiteren Baustopps für die Stadt Hamburg und den Airbus-Mutterkonzern Eads schwerer wögen als die der KlägerInnen. Allerdings würden, räumt das OVG ein, durch die Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs naturschutzrechtlich bedeutsame Flächen endgültig verloren gehen. Dies könne jedoch in dem Eilverfahren nicht überprüft werden. Damit wich es „streitentscheidend“ von der Argumentation der ersten Instanz ab. Das VG hatte die gesamte Planung von Stadt und Eads für „rechtlich unwirksam“ erklärt, weil sie gegen europäisches Naturschutzrecht verstoße. Zudem hatte das VG die „Gemeinützigkeit“ der Werkserweiterung bestritten. Es handele sich um die „privaten, unternehmerischen Zwecke“ von Airbus. Diese seien den Interessen von AnwohnerInnen unterzuordnen, die gegen den Fluglärm klagten.
Das OVG hingegen hält einen Ausgleich durch Lärmschutzmaßnahmen „auch bei einem privatnützigen Vorhaben“ für möglich, bei einem gemeinnützigen sei dies ohnehin der Fall. Deshalb könne die endgültige Klärung dieser Frage bis zum Hauptsacheverfahren warten.
Für die Teilproduktion des A 380 in Hamburg soll das dortige Werk erweitert sowie die Start- und-Lande-Bahn verlängert werden. Das „Jahrhundertprojekt“ würde, so hofft der rot-grüne Hamburger Senat bis zu 4.000 direkte und indirekte zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Eine Garantie dafür hat Eads allerdings bis heute nicht abgegeben. Dennoch hat die Stadt dem drittgrößten Luftfahrtkonzern der Welt zugesagt, die geforderten Flächen bis zum 31. Oktober 2001 auf eigene Kosten von 1,15 Miliarden Mark als erschlossenes Bauland zur Verfügung stellen. Eads hatte deshalb dem OVG ultimativ mitgeteilt, dass bis Mitte Februar eine positive Entscheidung gefallen sein muss. Bei „fortbestehender Planungsunsicherheit“ würde die Gesamtproduktion des A 380 in das Airbus-Werk Toulouse verlagert.
Für den Ausbau sollen etwa 160 Hektar der ans Werk grenzenden Elbbucht Mühlenberger Loch aufgeschüttet werden. Dieses tideabhängige Watt steht unter Landschafts- und Vogelschutz, ist als „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“ von der UNO anerkannt und gilt nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat als besonders schützenswertes Gebiet. Es ist ein wichtiger Rast- und Brutplatz für Löffel- und Krickenten, für Trauerseeschwalben und Zwergmöwen sowie Heimat vieler bedrohter Fisch- und Pflanzenarten. SPD-Bürgermeister Ortwin Runde, der bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen 1997 die Koalition an die Zustimmung der Grünen zu diesem Projekt geknüpft hatte, erklärte den gestrigen Dienstag „zum bisher schönsten Tag für mich als Bürgermeister“.
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