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Erprobte Spielmacher im Abseits

Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgerechnet bei einer WM im eigenen Land außen vor bleiben, ist ein heftiger Imageverlust

von STEFFEN GRIMBERG

Die „Symbolik“ war es also. „An einer Kleinigkeit, an Symbolik“ seien die Verhandlungen der öffentlich-rechtlichen Sender mit der Kirch-Gruppe um die Übertragungsrechte der Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 gescheitert, hatte der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen“ beteuert. Nun handelt es sich bei Pleitgens „Kleinigkeit“ um einen dreistelligen Millionenbetrag und bei der „Symbolik“ um die nicht ganz unwesentliche verbindliche Zusage, neben den Free-TV-Rechten für die in Asien stattfindende WM 2002 auch die Übertragungsrechte für die WM 2006 in Deutschland zu erhalten. Und auch der aufgebrachte Ton am Tag danach zeigt, dass weder Leo Kirchs Unterhändler noch ARD und ZDF mit diesem für beide Seiten schädlichen Ergebnis gerechnet hatten.

Dabei waren die Öffentlich-Rechtlichen doch ausdrücklich „Wunschpartner“ des Münchner Medienunternehmers, der für die WM-TV-Rechte rund 1,7 Milliarden an den Fußballweltverband Fifa bezahlt. Jetzt fehlt nicht nur ARD und ZDF ein Fernsehhighlight, auf das sie seit fast fünfzig Jahren abonniert waren. Auch Kirch hat wieder ein Problem mehr: Denn die ProSiebenSat.1-Media AG, die umgehend „Verhandlungsinteresse“ in Sachen WM-Übertragung im Free-TV signalisierte, gehört ihm selber. Ein Nullsummenspiel, das sich Kirch so nicht leisten kann. Denn Spitzensport ist zwar für alle Sender Prestigesache und Einschaltquotengarant, aber wegen der explodierten Rechtekosten durch Werbeeinnahmen allein nicht mehr zu finanzieren.

An dieser Entwicklung war Leo Kirch alles andere als unbeteiligt. Er kaufe häufig zu teuer ein, heißt es in der Branche, von eigentlich „inakzeptablen Preisen“ war auch bei den ARD-Vertretern die Rede: „Wir sind bis an den Rand des Zumutbaren gegangen“, sagte Pleitgen gestern im Deutschlandfunk: „Mehr war für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht drin.“

Nach einer Anfang des Jahres ursprünglich festgezurrten Regelung sollten die öffentlich-rechtlichen Sender für die Live-Übertragungsrechte von 24 Spielen der WM 2002 insgesamt 225 Millionen Mark zahlen, für das gleiche Kontigent bei der WM 2006 war von einer halben Milliarde Mark die Rede. Dies sei in den letzten Verhandlungsrunden zwar etwas nach unten korrigiert worden, heißt es bei Kirch. Außerdem sollte ein Austausch von Rechten etwa an den noch öffentlich-rechtlichen Olympischen Spielen oder an der Fußball-EM die direkte finanzielle Belastung von ARD und ZDF mindern. Aber vor allem die ARD-Intendanten stellten sich weiterhin quer und brüskierten nicht nur ihren eigenen Verhandlungsführer Albert Scharf, sondern auch den ZDF-Intendanten Dieter Stolte, der bei den Gesprächen mit Kirch-Vize Dieter Hahn mit am Tisch saß und wie Scharf das erzielte Ergebnis akzeptabel fand.

Jetzt bleibt Hahn, der jegliche Neuverhandlungen mit den Öffentlich-Rechtlichen kategorisch ausschließt, nur noch der Gang zur Konkurrenz: Außer der zu Bertelsmann gehörenden RTL-Familie gibt es keine Sender, die ernsthaft als zahlungsfähige Abnehmer der Free-TV-Rechte in Frage kommen. Für die Zuschauer ist die Entwicklung weniger dramatisch: Sie bekommen in jedem Fall ihre Live-Spiele, jetzt allerdings umrahmt von Event-Fernsehen mit garantiert geballter Werbeladung.

Doch nicht nur Kirch sitzt in der Zwickmühle, auch für ARD und ZDF hat der geplatzte Deal weit düsterere Dimensionen. Schließlich hatten die Anstalten bei der eben erst nach langem Ringen für sie glimpflich ausgegangenen Debatte um die Erhöhung der Rundfunkgebühren stets mit den teuren Sportrechten argumentiert. Und auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der neben der Medienkommission der Länder auch dem ZDF-Verwaltungsrat vorsitzt, hat das Scheitern der Verhandlungen kritisiert und die Anstalten dafür verantwortlich gemacht: „Mit den Kompensationsgeschäften, die in dem Paket drin waren – wie Ausgleiche bei den Übertragungsrechten für Europameisterschaften und Olympische Spiele – wäre das Ganze aus meiner Sicht tragbar gewesen.“

Dass ARD und ZDF jetzt ausgerechnet bei einer WM im eigenen Land außen vor bleiben, ist aber nicht nur ein Imageverlust. Der schleichende Ausverkauf attraktiver Sportrechte könnte bald zu einer Situation wie in Großbritannien führen. Dort hatte die BBC selbst so urenglische Großereignisse wie Cricket und diverse Pferderennen an die private Konkurrenz abgegeben, verlor konsequenterweise dann fast alle namhaften Sportjournalisten – und versucht unter ihrem neuen Generaldirektor Greg Dyke seit letztem Jahr, mit Milliardenbeträgen einige Übertragungsrechte zurückzukaufen und den Anschluss zu schaffen.

Fritz Pleitgen dagegen setzt auf das Prinzip Hoffnung: „Wenn die WM 2006 kommt, da mag Kirch jetzt sagen was er will, werden wir antreten“, meint der ARD-Vorsitzende. Doch bei Kirch ist erst mal Eiszeit angesagt: Der Rechteinhaber, der neben der Pay-TV- auch die Online-Verwertung der Fußballfeste ausschließlich in Eigenregie bestreiten will, hat angekündigt, jetzt nicht mal die ARD-Radiojournalisten zur WM zu akkreditieren.

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