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Nichts für schwache Nerven

„The Weakest Link“ ist die intelligente Fortsetzung der Quiz-Show mit anderen Mitteln. Im Zentrum: Ann Robinson, die rüdeste Moderatorin der BBC. Die deutsche Version läuft ab Mitte März bei RTL

von STEFFEN GRIMBERG

Wenn in der englischen Presse von Anne Robinson die Rede ist, ergehen sich die AutorInnen gerne in Formulierungen à la „die wahrscheinlich rüdeste Moderatorin aller Zeiten“. Vergesst das „wahrscheinlich“. Sie ist es. Und „The Weakest Link“ die intelligenteste Weiterentwicklung der Quiz-Show seit ihrer Geburt im US-Radio der 30er-Jahre.

Werktäglich eröffnet die Schwarzberockte auf BBC 2 das Vorabendprogramm. Schulmeisterlich-streng, der Blick über die halbe Lesebrille eiskalt, das Lächeln spöttisch. Nichts von Jauchscher Onkelhaftigkeit und nett aufmunterndem Erbarmen. Ihr ausgesetzt sind neun Kandidaten, die sich untereinander nicht kennen, jetzt aber als Team auf Zeit gemeinsam spielen müssen – gegen die Uhr. Und gegen Ann Robinson.

Sorrel zum Beispiel ist 28 und managt in Hamsphire einen Pub, Paul hat Segelohren und arbeitet als Unternehmensberater, Tommy ist mit 59 der Älteste der Truppe, sieht aus, wie man sich Londoner Taxifahrer immer vorstellt – und verkündet stolz im breitesten Dialekt, dass er in Wirklichkeit „production worker“ ist. Tish heißt tatsächlich so, macht in Werbung und einen stark übergewichtigen Eindruck, und dann geht es los. Schwierig sind die Fragen nicht, die von den KandidatInnen reihum beantwortet werden müssen, durchschnittliches Trivial-Pursuit-Niveau müsste eigentlich reichen – wenn da nicht die Aufregung wäre. Und Ann Robinson.

Drei Minuten haben die neun in der ersten Runde Zeit, in den folgenden sieben Durchgängen werden immer 10 Sekunden abgezogen. Zu gewinnen sind maximal 10.000 britische Pfund, aber selbst diese für deutsche Verhältnisse bescheidene Summe wird nie erreicht. Denn wie beim Spielautomaten steigt man in jeder Runde bei richtiger Antwort auf der Gewinnleiter der 1.000-Pfund-Marke entgegen. Wird falsch oder gar nicht geantwortet, ist das Spiel nicht wie beim Millionärs-Großquiz ganz aus, aber der Gewinnzähler steht wieder auf null.

Und so scheitert der Biologe Jonathan an einer ganz einfachen Frage über Blumen, ausgerechnet Senior Tommy bekommt ständig Fragen zu den „Spice Girls“ (und weiß die Antwort!), doch Sorrel ordnet Norman Mailer dafür leider bei den Poeten ein. Ergebnis der ersten Runde: ganze 120 von 1.000 Pfund, Mrs. Robinson ist alles andere als begeistert: „Ihr seid ein enttäuschender Haufen, einer von euch muss sofort weg.“ Und dann folgt ein bisschen „Big Brother“: Das Team muss entscheiden, wer von ihnen „the weakest link“, das schwächste Glied der Antwortkette ist. JedeR nominiert, wer die meisten Stimmen hat, fliegt und wird von Mrs. Robinson schneidig mit „You are the weakest link. Goodbye!“ von der Bühne vertrieben.

Wobei die Auswahl immer streng subjektiv ausfällt: Selten muss tatsächlich der Rundenschwächste gehen, Sympathie entscheidet, und so sind Tish und Tommy verhältnismäßig früh weg vom Fenster.

Reihum müssen sich die Kandidaten für ihre Nominierungen rechtfertigen, und wer sich ob des grausamen Spiels in den Bart murmelt, dass ihm das Ganze unglaublich Leid tut und verdammt schwer fällt, bekommt ein aufmunterndes „Ihr bekommt in den nächsten Runden schon noch genug Übung“ zurück.

Mit spektakulär falschen Antworten wird man dagegen auch in den Folgerunden weiter aufgezogen („Sorrel, Sie kennen also alle Gedichte von Norman Mailer ...“), mehr noch: Im Januar kanzelte Mrs. Robinson einen Kandidaten schon vor der ersten Runde mit einem charmanten „Sie sind ganz ehrlich der absolut dümmste Mensch, der mir je unter die Augen gekommen ist. Glauben Sie wirklich, dass Ihre Intelligenz für die Show ausreicht?“ ab, weil der eine unsinnige Frage zum technischen Ablauf der Sendung gestellt hatte.

Am Ende spielen die zwei letzten Kandidaten nach dem K.o.-System gegeneinander, und nur der Gewinner nimmt überhaupt Bares mit nach Hause.

Das Konzept von „The Weakest Link“ geht voll auf, der Guardian bietet im Internet für gestresste Manager, die um 17.15 Uhr noch nicht fernsehen können, eine tägliche Übersicht der dümmsten Antworten und krassesten Bemerkungen (www.mediaguardian.co.uk), NBC hat die Rechte für die USA gekauft und will Ann Robinson gleich mit abwerben – und am 19. März startet das Format in Deutschland. Nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen, die so endlich einmal Quiz-Kompetenz bewiesen hätten, sondern beim Marktführer. RTL will sein „Der Schwächste fliegt“ allerdings schon nachmittags um 15 Uhr an die TV-Nation bringen. Und gern würde man dem netten Sendersprecher glauben, dass alles „eins zu eins wie im englischen Original“ sein wird. Dass RTL den Maximalgewinn auf 50.000 Märker aufstockt – geschenkt. Aber: Sonja Zietlow als Ann Robinson?

Trösten wir uns mit einer letzten Antwort von Sorrel. Die sagte auf die Frage, für welches Produkt seit 1965 nicht mehr im britischen Fernsehen geworben werden darf, nur ein großes, englisches Wort: „Marmelade“.

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