: Das unverdiente Leid der Väter
Getrennt lebenden Vätern sind ihre Kinder gleichgültig, und sie zahlen nicht für sie,so das Klischee. Doch viele wollen für ihre Kinder sorgen – die Mütter sind dagegen
Es ist schwer, sich von lieb gewonnenen Überzeugungen zu lösen. Die meisten Väter, das glauben wir zu wissen, wollen nach der Trennung von Ehefrau oder Partnerin auch ihre Kinder nicht mehr sehen; alles rennet, rettet, flüchtet – und Unterhalt verweigern sie auch noch. Die Zahlen, die uns das Familienministerium dazu gibt, und die Interpretation dieser Zahlen durch das Haus Bergmann sprechen Bände: Etwa die Hälfte aller Trennungskinder hat nach einem Jahr keinen Kontakt mehr zu den Vätern, nur ein Drittel der Väter, so wird geschätzt, zahlt Unterhalt. Männer, da sieht man’s mal wieder, sind Schweine!
Jetzt hat sogar die CDU in Hamburg das Thema der Unterhaltsflüchter entdeckt. 1,4 Milliarden Mark (der Spiegel rundet sogar auf 1,5 Milliarden auf) gebe der Staat jährlich aus, um den Unterhalt für Kinder vorzuschießen. Nur 20 Prozent des Betrags holen sich die Ämter von den Männern zurück. Den Restbetrag, wird suggeriert, unterschlagen die Unterhaltsflüchter. Nach dem Willen der Hamburger CDU-Frau Karen Koop soll die Polizei künftig säumige Väter jagen. Ein neu zu schaffendes „Unterhaltsregister“ soll mit dem Fahndungscomputer der Polizei verbunden werden, fordert sie. Datenschutz hin, Datenschutz her – bei Verkehrskontrollen sollen die Beamten routinemäßig darauf achten, ob der Autobesitzer für seine Kinder zahlt, und, falls nicht, ihm den Wagen abnehmen.
Bundesfamilienministerin Christine Bergmann hält nichts von Koops Idee. Zu lasch, befindet sie, denn gerissen, wie sie nun mal sind, hätten säumige Väter ihre Autos längst an die Freundin überschrieben. Deshalb will die Familienministerin den Männern den Führerschein wegnehmen. „Das tut dann wirklich weh.“ Das Kalkül: Der Entzug seines Lieblingsspielzeugs wird ihn disziplinieren.
Natürlich gibt es auch Väter, die nichts leisten, weder als Vater noch als Finanzierer. Doch gibt es in Deutschland über die Zahlungsmoral aller Väter keine gesicherten Erkenntnisse. Unterschlagen werden schon einmal all diejenigen Väter, die sich privat mit den Müttern verständigt haben und regelmäßig bezahlen. Aber in den USA, wo die Statistik genauer ist, zeigt sich: Neun von zehn Scheidungsvätern zahlen anstandslos – wenn sie gemeinsames Sorgerecht und regelmäßigen Zugang zu ihren Kindern haben. Vielleicht hat sich der deutsche Gesetzgeber auch deswegen vor zwei Jahren durchgerungen, das gemeinsame Sorgerecht zur Norm zu machen. Wer Kontakt zu seinen Kinder hat, wird auch dafür sorgen, dass sie versorgt sind, emotional und finanziell.
Ein kleiner Verein wie „Väteraufbruch für Kinder“ hat inzwischen mehr als 1.000 Mitglieder, von denen die meisten ihre Kinder nicht sehen dürfen. Die Dunkelziffer ist hoch. Zum Beispiel Pantaleon K. Im Streit warf ihn seine im sechsten Monat schwangere Freundin aus ihrem Haus, elf Tage vor Weihnachten 1999. Fortan stritt sie ab, dass er der Vater sei. Er bemühte Ämter und Gerichte. Als seine Tochter fünf Monate alt war, erfuhr er ihren Namen, als sie ein Jahr alt war, kam es endlich zum Vaterschaftstest, und er erhielt den Bescheid: Er ist mit 99,98-prozentiger Sicherheit der Vater des Kindes. Wenige Tage später kam Post vom Amtsgericht: Er solle seiner Unterhaltspflicht nachkommen. Seine Tochter hat er noch immer nicht gesehen. Der Verein hat noch andere Fälle in seiner Kartei: Ein Mann zog zwei Töchter auf, da stellte sich heraus, dass er gar nicht der Vater ist. Daran zerbrach die Beziehung. Folge: Er durfte die Kinder, die er liebte, nicht mehr sehen. Inzwischen darf er wieder. Er überweist monatlich 2.000 Mark an die Mutter der Kinder.
Einzelfälle, gewiss. Kindschafts- und Unterhaltsrecht richten sich nicht an derartigen Einzelfällen aus, sondern an dem, was wir alle für den Normalfall halten: Hier die guten, sorgenden Mütter, häufig in finanzieller Not, dort die Väter, die zumindest dazu neigen, sich aus dem Staub zu machen. Die Zeiten haben sich geändert, aber das Familienministerium lässt sich von Experten des „Vereins alleinerziehender Mütter und Väter“ beraten. Die Mitglieder, überwiegend Frauen, verteidigen das Ein-Eltern-Modell: Auch wo keine Gewalt im Spiel war, führe die Fortsetzung der Beziehung nach der Trennung doch nur zu Reibereien, die auch das Kind belasteten. Eine Kapitulation der elterlichen Vernunft, eine Ode an den Egoismus.
Seit zwei Jahren ist das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder nach der Scheidung die Norm. Auch nicht verheiratete Eltern können sich für gemeinsame Sorge entscheiden – wenn die Mutter ausdrücklich zustimmt. Aber bis heute wird nicht erhoben, wie viele der unverheirateten Mütter das Sorgerecht tatsächlich zu teilen bereit sind. Die Zahl wäre beschämend niedrig. Frau denkt vorausschauend, die Verbindung könnte sich ja erledigen.
Doch selbst wenn das gemeinsame Sorgerecht vereinbart ist, entscheidet letztlich eine andere Regelung, wie das faktische Zusammenleben von Vater und Kind aussieht – nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht. In der Regel wohnen die Kinder auch heute noch bei der Mutter. Sie kann mit den Kindern umziehen, wohin es ihr beliebt – auch wenn dies sehr weit entfernt vom Wohnort des Vaters ist.
Dass gegen Barbara Becker wegen Kindesentziehung nicht einmal ermittelt wurde, ist ein Skandal. Sie hat die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und damit gegen Gesetze verstoßen. Doch das ist die Regel auch bei Normalsterblichen: Unterhaltsflüchter werden zu Recht unnachgiebig verfolgt; Mütter, die wirklich (sich) sorgenden Vätern den Umgang verwehren, haben in diesem Staat nichts zu befürchten. Kindesentführerinnen dürfen sich des Schutzes zahlreicher Jugendamtsmitarbeiter(innen) sicher sein. Für den Ausschluss der Väter findet sich immer ein guter Grund: In vierzig von hundert strittigen Sorgerechtsfällen wirft die Mutter ihrem „Ex“ sexuellen Missbrauch des Kindes vor. Keine Frage: Wo das tatsächlich zutrifft, müssen Kinder geschützt werden. Bis aber ein unschuldiger Mann nachgewiesen hat, kein Sexmonster zu sein, ist die Sorgerechtsfrage entschieden. Auch im Fall von Gewalt gegen Kinder oder (Ehe-)Frau kann in der Tat niemandem zugemutet werden, diesen verabscheuungswürdigen Menschen künftig regelmäßig treffen zu müssen. Inzwischen aber raten Anwälte ihren Klientinnen zweierlei: 1. „Bringen Sie die Kinder in Ihren Besitz!“; 2. „Ziehen Sie in jedem Fall kurzzeitig in ein Frauenhaus. Das beeindruckt Richterinnen und Richter.“
Ja, es gibt männliche Unterhaltsflüchter. Aber es gibt auch die Bibliothekarin im öffentlichen Dienst, deren Stelle ruhte. Zunächst zahlte der Mann an sie und die zwei Kinder jeden Monat 2.800 Mark Unterhalt. Ihm blieb damit der Selbstbehalt von 1.800 Mark, ihr standen mit Kinder- und Erziehungsgeld rund 3.500 Mark zur Verfügung. Sie zog 300 Kilometer weg, er fuhr jedes Wochenende über die Autobahn. Schließlich brach er zusammen, verlor den Job, das Sozialamt musste einspringen. Er wohnt inzwischen in der Stadt seiner Kinder und will sich um diese kümmern. Das Amt forderte die Frau auf, ihre Stelle wieder anzutreten und sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Frau kam der Aufforderung des Amts nicht nach, inzwischen wurde ihr die Sozialhilfe gestrichen.
Alles Einzelfälle! Und doch lohnt es sich, jeden einzelnen Fall zu beleuchten und Menschen zu beurteilen, statt alle (Männer) über einen Kamm zu scheren. Frauen haben jahrzehntelang eingefordert, dass Väter ihren Pflichten nachkommen. Heute stehen einem Mann wie Pantaleon K. Tränen in den Augen, wenn er erzählt, wie er „langsam kaputtgeht“. Doch nicht um die Interessen der Väter geht es, schon gar nicht dem Gesetzgeber. Ihm geht es angeblich um die Interessen der Kinder. Aber ist es nicht so: Auch heute noch ist jedes Kind, dem ein liebender Vater vorenthalten wird, ein betrogenes Kind.
Um das zu ändern, muss auch Vätern geholfen werden, die für ihre Kinder da sein wollen. Warum also nicht prinzipiell ein gemeinsames Sorgerecht, wenn dies auch das Jugendamt befürwortet? Warum so halbherzig? Zudem müssen die Behörden in die Lage versetzt werden, das Umgangsrecht der Väter durchzusetzen, und zwar ohne Verzögerung. Wie die Jugendämter Unterhaltszahlungen oder einen Vaterschaftstest erzwingen können, müssten sie auch fähig sein, boykottierende Mütter zur Herausgabe des Kindes zu bewegen. Wenn dies nicht fruchtet, helfen nur noch harte Maßnahmen. Was böte sich an? So wie Männern das Auto genommen werden soll, müssen dann eben auch die Privilegien der Frauen beschnitten werden. Polemisch überspitzt: Schuhkaufverbot für Kontaktsperre-Frauen.
PETER KÖPF
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