Lügenbaron Koch zieht nicht mehr

Im hessischen Kommunalwahlkampf steht die Spendenaffäre der CDU nicht mehr im Mittelpunkt. Der Flughafenausbau ist Topthema in Südhessen. WählerInnen dürfen erstmals kumulieren und panaschieren. Die Wahl findet am 18. März statt

aus Frankfurt am Main von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Kommunalwahl in Hessen. Ein Jahr nach der „Entdeckung“ von illegalen Kassen und schwarzen Konten bei der hessischen CDU hätten die Bürgerinnen und Bürger am 18. März theoretisch die Wahl: Entweder sie strafen Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und seine Partei für den Skandal und all die kleinen Lügen ab, oder aber sie erteilen die Absolution.

Die Basis der CDU hat sich bereits entschieden. Auf dem Parteitag am 10. Februar feierte sie Koch als „Kanzlerkandidaten 2006“. Da hatte dieser die Affäre gerade für „ausgestanden“ erklärt. Ein zusätzlicher Motivationsschub für die CDU ist die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts vom vergangenen Freitag: Es hat die Ermittlungsarbeit eingestellt und die umstrittene Hessenwahl 1999 für gültig erklärt.

Fast scheint es so, als seien SPD und die Grünen demoralisiert. Denn aus der Spendenaffäre lässt sich kaum noch politischer Honig saugen. Beiden Parteien dämmert allmählich, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl wissen, dass sie zu einer Kommunalwahl an die Urnen gerufen werden – und nicht zu einer Landtagswahl. Also weg mit den SPD-Plakaten mit den schwarzen Koffern der CDU. Auch die Plakatierung der Grünen, die den „Lügenbaron“ Koch bei seinem Ritt auf der Kanonenkugel zeigen, sind Makulatur. Jetzt stehen kommunale Themen im Mittelpunkt.

In Südhessen geht es fast ausschließlich um den Flughafenausbau. Lediglich die Grünen sind überall dagegen – in Frankfurt noch die Liste Flughafen Ausbaugegner (FAG). Die Frankfurter Flughafen AG mit dem identischen Kürzel (FAG), die sich seit dem Jahreswechsel „Fraport“ nennt, verklagte die Liste um den bekannten Frankfurter Altlinken Horst Schäfer wegen Buchstabenklaus. Sie erlebte vor Gericht eine Bruchlandung und machte die FAG in Frankfurt damit erst richtig bekannt. Bekannter jedenfalls als den Spitzenkandidaten der SPD für die gleichzeitig mit der Kommunalwahl stattfindenden Direktwahl des Oberbürgermeisters: Achim Vandreike. Der Mann ist ohne Chance gegen Petra Roth (CDU).

Laut Umfragen liegt Petra Roth mit 70 Prozent klar vorn. Doch Vandreicke kämpft noch – um die Jugend. In der vergangenen Woche hat er der Rapperin Sabrina Setlur den neu geschaffenen Kulturpreis seiner Partei überreicht. Die Preisverleihung stieß bei einigen Genossen auf Protest und sie sprachen von „Hirnraub pur“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Armin Clauss, fand jedoch „klasse“, dass die Partei endlich auf die jungen Leute zugehe.

Die kleine FAG hat große Chancen, in den Frankfurter Römer einzuziehen. Denn diese Kommunalwahl wird die erste in Hessen ohne Fünfprozenthürde sein. Ein Geschenk der CDU im Landtag an die FDP. Deren Landesvorsitzende Ruth Wagner rechnet jetzt mit einer „Verdreifachung“ der Mandate für die Freien Demokraten. Davon profitieren werden auch die rechtsradikalen Parteien und die Grünen, die vor allem in ländlichen Regionen schwächelt.

Bei der anstehenden Kommunalwahl dürfen die Hessen zum ersten Mal kumulieren und pananschieren, also Stimmen auf einen Kandidaten häufeln und quer durch alle Parteien verteilen. „Einfach mehr Demokratie“, heißt der knappe Slogan dazu. Doch in Frankfurt hat noch nicht einmal die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger etwas vom neuen Wahlrecht gehört. Und von denen, die angeblich wissen, was sie am 18. März in der Wahlkabine mit dem Stimmzettel so alles anstellen können, wollen nur 30 Prozent davon Gebrauch machen. Die geringe Zustimmung zum neuen Wahlrecht ist nur ein Spiegelbild für das geringe Interesse der Wählerinnen und Wähler an der Kommunalpolitik.

Bei der letzten Kommunalwahl erzielten die Sozialdemokraten 38 Prozent, die CDU 33 Prozent, Bündnis 90/Die Grünen 11 Prozent, die „Republikaner“ 6,6 und die FDP 4 Prozent.