piwik no script img

Ein Zurück gibt es nicht

Chrysler bricht ein. Mitsubishi muss entlassen. Mercedes fürchtet den Sog. Konzernchef Schrempp strafft radikal

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Ein Mercedes aus Germany steht seit Jahrzehnten hoch im Kurs in den USA und in Kanada. Bluesmann John Lee Hooker fährt einen und Filmschauspieler Richard Gere auch. Der von Hooker hat ein goldenes Lenkrad. Der von Gere ist schneeweiß und hat Scheiben aus Panzerglas. Wer einen Mercedes kauft, erfüllt sich einen Traum. Wer einen Chrysler kauft, löst nur ein Transportproblem. Und wer, außer ein paar gottverdammten Studenten, will in den Staaten eigentlich einen Japaner (von Mitsubishi) fahren?

Genau das ist das Problem von DaimlerChrysler. Und damit das von Konzernchef Jürgen Schrempp. Nur knapp zwei Jahre nach der euphorisch gefeierten Fusion zwischen den Autobauern aus Stuttgart und denen aus Detroit steckt die von Schrempp geschaffene Welt AG mit Mercedes-Benz (Europa), Chrysler (USA) und Mitsubishi (Japan) tief in der Krise. Oder besser: in der Globalisierungsfalle. Eine falsche Modellpolitik bei Chrysler und die weitgehend misslungene Integration von amerikanischer und deutscher Unternehmenskultur, bei der beinahe die gesamte Elite der Chrysler-Manager auf der Strecke blieb, haben den Konzern zurückgeworfen. Hinzu kommen die negativen Auswirkungen der generellen konjunkturellen Talfahrt in den USA und der großen Krise der Automobilindustrie dort überhaupt. Das Ergebnis: Ein katastrophaler Umsatzrückgang, verbunden mit einem drastischen Einbruch beim Gewinn. Minus 1,406 Milliarden Euro machte Chrysler allein im letzten Quartal 2000, wie Schrempp gestern auf der Bilanzpressekonferenz von DaimlerChrysler in Stuttgart einräumen musste.

Die Bilanz des gesamten Geschäftsjahres fiel entsprechend aus: 4,7 Milliarden Mark weniger Gewinn als im Vorjahr konnte in Detroit verbucht werden. Das hat den ganzen Konzern in eine Schieflage gebracht – trotz Rekordergebnissen bei Mercedes (mit Smart) und bei den Nutzfahrzeugen. Der bereinigte Operating Profit landete zwar trotz eines Rückgangs um 49 Prozent bei immer noch 5,2 Milliarden Euro. Aber einen weiteren kontinuierlichen Einbruch kann sich Schrempp nicht leisten. Statt Kamelle zum Rosenmontag gab es deswegen gestern in Stuttgart ein Restrukturierungsprogramm, das einen ganz großen neuen Wurf versucht und auch noch den Partner in Fernost, Mitsubishi, an dem DaimlerChrysler zu 34 Prozent beteiligt ist, mit einbezieht. Denn auch der japanische Autobauer kränkelt. Im laufenden Geschäftsjahr schrieb er 1,2 Milliarden Euro Verluste. Bis zu 4 Milliarden Euro plant Schrempp für die Umstrukturierung ein, die 2003 abgeschlossen sein soll. Viel Geld, das er so schnell wie möglich verbuchen und abschreiben will – schon im ersten Quartal 2001 soll DaimlerChrysler deshalb einen operativen Verlust von 3,8 bis 4,3 Milliarden Euro ausweisen.

Bei Umbau von Chrysler und Mitsubishi setzt Schrempp dabei vor allem auf die eigenen Leute. Nach Dieter Zetsche, der seit wenigen Monaten in Detroit das Sagen hat, ist seit Januar auch Rolf Eckroth im Ausland aktiv – als Vizepräsident bei Mitsubishi.

Das Programm, das die beiden durchziehen sollen, ist hart. Und bislang hat es nicht dafür gesorgt, dass sich die Kulturen näher gekommen sind. 26.000 Arbeitsplätze, 20 Prozent der Belegschaft, werden bei Chrysler in den nächsten drei Jahren gestrichen. 9.500 sind es bei Mitsubishi.

Daneben will Schrempp das Produktportfolio von Chrysler umkrempeln und die Zulieferer mit Knebelverträgen an den Konzern binden.

Und bei all den Vorhaben bleibt ein Problem völlig offen, das in den Plänen ganz hinten im Kleingedruckten erwähnt wird. Was ist, wenn die Konjunktur in den Staaten ihre Talfahrt fortsetzt und bis 2003 auch nicht wieder in Schwung kommt? Wer soll dann die schönen neuen Autos aus dem neuen Portfolio von Chrysler kaufen? Und wie sieht das im kriselnden Japan aus? Zurück zur alten Mercedes-Herrlichkeit würde auch nicht funktionieren. Denn Mercedes allein wäre der erste Übernahmekandidat in Europa für die Giganten Ford und General Motors in den Staaten. Schrempp wäre dann nur noch Privatier.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen