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Raketenabwehr: Schröder findet daran auch Gutes

Regierungschef stellt Weichen: Wenn die USA Raketenabwehrschirm NMD tatsächlich aufstellen, dann sollen sich die Deutschen beteiligen. Kanzler reizt „eminentes wirtschaftliches Interesse“

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit positiven Äußerungen zum amerikanischen Raketenabwehrschild NMD offenbar auch Ministerkollegen überrascht. Schröder hatte am Montag in einer Abendsendung der Fernsehstation N 24 erstmals herausgestellt, dass NMD auch positive Effekte für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland haben könne.

Nach taz-Informationen war der Vorstoß weder mit dem Außen- noch dem Verteidigungsministerium abgestimmt. Beide Ministerien hatten sich noch Ende Januar bei einer vertraulichen Besprechung mit dem Kanzleramt auf eine NMD-kritische Linie festgelegt. International hatten Schröder, Scharping und Fischer seitdem stets Bedenken gegen die amerikanischen Pläne angemeldet, ohne allerdings die USA direkt zu kritisieren.

Das Kanzler-Interview führte am Dienstag zu Spekulationen über einen Kurswechsel der Bundesregierung. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye bestritt entsprechende Absichten. Schröder beklagte in dem Interview allerdings, es gebe zu NMD „eine Diskussion, die in Deutschland nicht so geführt worden ist, wie sie nach meiner Meinung geführt werden sollte“. Noch gebe es ungeklärte politische wie technische Fragen bei der Realisierung von NMD, betonte der Kanzler, „aber wenn es so etwas gibt, gibt es natürlich für uns ein eminentes wirtschaftliches Interesse“. Es dürfe nicht nur gefragt werden, ob die Lasten für NMD verteilt würden, sondern ob es auch eine „Teilhabe an der Technologie“ gäbe. „Das ist für mich ganz wichtig. Das will ich schon gerne wissen“, sagte er. Später wiederholte er, es sei ein „ganz wichtiger Punkt“, dass „wir bei dieser Technologie und der Kenntnis der Technologie nicht außen vor bleiben“.

Auffällig war gestern, dass die Regierung beim Versuch der Schadensbekämpfung nicht von einem Missverständnis sprach – angesichts der Vehemenz und Eindeutigkeit, mit der Schröder seine Überlegungen vortrug, wäre diese Verteidigung schwer zu halten gewesen. Die gestrige Sprachregelung lautete vielmehr, dass Schröder sich „in der Kontinuität“ seiner früheren Aussagen befinde. Gleichzeitig hieß es im Kanzleramt: „Selbstredend ist der Technologieaspekt für uns wichtig“, ihn zu leugnen „wäre vermessen und unverantwortlich“. Die deutschen Bedenken würden trotzdem unverändert gelten. Dazu gehört vor allem die Furcht vor einem Wettrüsten im asiatischen Dreieck von China, Indien und Kaschmir. „Wir wollen keinen Wilden Westen“, sagte ein Beamter gestern.

Schröders Äußerungen laufen insbesondere der Strategie von Joschka Fischer zuwider, der der entschiedenste NMD-Skeptiker in der Regierung ist. Das Auswärtige Amt lehnte gestern einen Kommentar jedoch ab. Der Minister nahm am politischen Aschermittwoch in Biberach teil.

CSU-Chef Edmund Stoiber fordert die rot-grüne Bundesregierung auf, sich ernsthaft mit dem Aufbau einer Raketenabwehr auseinander zu setzen. Es bestehe die Gefahr, dass Raketen aus dem Mittleren Osten künftig deutsche Städte treffen könnten, sagte Stoiber in Passau. Doch statt die Pläne der USA zum Aufbau einer Raketenabwehr zu prüfen, bezeichne Joschka Fischer das Projekt „lapidar“ als Sache der Amerikaner.

PATRIK SCHWARZ

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