: „Bei mir is` nüscht mehr!“
Beim politischen Aschermittwoch der CDU gab sich Landowsky siegesgewiss. Die Basis stützte ihn – wie eine Familie
Die Berliner CDU ist wie eine große Familie. Sie wärmt und schützt, gibt Halt und Sicherheit. Und eine richtige Familie hat auch ein paar Leichen im Keller.
An diesem Abend strömen die Familienmitglieder ins rustikale Ambiente des Restaurants Arminius in Moabit. Der Ortsverband lädt zum politischen Aschermittwoch. In dem kleinen Veranstaltungssaal geht nichts mehr. Alle Stühle sind besetzt. Kamerateams und Fotografen treten sich gegenseitig auf die Füße. An einem Tisch neben der Tür sitzt ein Mann, der aussieht wie Tom Hanks als einsamer Inselmensch in „Cast Away“. Um seinen Hals hängt ein roter Schal. Er raucht Roth-Händle und stellt sich als Helmut Schmidt vor.
Plötzlich schnellen die Kameras in die Höhe. Eine Gruppe von Männern wird zum Tisch neben dem Rednerpult geschleust: Der Familienvorstand ist da. Alle Augen richten sich auf den Mann, der seit Wochen die Aufmacher der Berliner Tageszeitungen beherrscht.
Klaus Landowsky darf sich erst einmal setzen. Unruhig schaut er sich immer wieder um, mustert die Menge wie ein Raubtier, das nicht weiß, ob ihm Beute oder Jäger gegenüber sitzen. Ortsverbandschef Volker Liepelt tritt ans Rednerpult. Er muss jetzt schnell dafür sorgen, dass der prominente Gast sich wohl fühlt. „Wir brauchen uns nicht zu ducken, und wir werden unser Selbstbewusstsein auch nicht verlieren.“ Der erste große Applaus bricht das Eis. Aber Liepelt kann sich noch steigern. Seine Stimme wird lauter, die Worte preschen im Stakkato aus seinem Mund: „Wir lassen uns nicht vorschreiben, wer bei uns Fraktionsvorsitzender ist. Nicht von der SPD, nicht von den Grünen und schon gar nicht von der PDS!“ Überwältigender Applaus.
Landowskys Anspannung löst sich, er fühlt sich sichtlich wohl. Als er ans Pult tritt, lächelt er breit in die Kameras. Die Parteispende fegt er mit einer offensiven Geste von sich weg. Schuld sind andere. Da sei „unrechtmäßigerweise nicht ordentlich abgerechnet“ worden. „Schlau war die Nummer nicht.“ Dafür habe er sich aber entschuldigt.
Helmut Schmidt schüttelt den Kopf. „Ich fass es nicht. Der Blödkopp.“ Ein Mann im gestreiften Anzug dreht sich um. „Zurückhalten, bitte!“
Landowskys Gesichtsfarbe nähert sich dem Rot seiner Krawatte. „Die Großwildjagd ist abgeblasen. Bei mir is’ nüscht mehr!“ Wie gut, dass es an den Gegnern mehr auszusetzen gibt. „Ich bin nicht auf irgendwelchen Polizeifilmen drauf“, sagt Landowsky. Und weiter: „Unser Herz gehört den ganz normalen Menschen in dieser Stadt.“ Die Menge dankt ihrem Fraktionschef den Motivationskurs mit Applaus und „Jawoll!“-Rufen.
Nur Helmut Schmidt sieht das anders. Er richtet sich schwankend im Stuhl auf: „Ich wäre gerne Kunde in deiner Bank!“ Der Mann im gestreiften Anzug steht auf: „So, Meister, jetzt is’ Schluss. Sie müssen den Raum verlassen.“ Der Störer wird abgeführt. Die Familie ist unter sich.
Joachim Zeller, Bezirksbürgermeister in Mitte, redet nur kurz, weil „nach deinem Sprachgewitter, Klaus“ nicht mehr viel kommen kann. Deshalb folgt jetzt der gemütliche Teil. Der Alleinunterhalter am Keyboard spielt Dixie und Boogie. Die Familie begrüßt und umarmt sich, klopft sich aufmunternd auf die Schulter.
Zeller guckt müde auf sein Bierglas. Gibt es an der Basis denn gar keine Kritik? „Kritik nicht, sauer sind die trotzdem“, sagt er. „Aus der Bundesgeschichte sind wir einigermaßen raus, und jetzt so ein Scheiß.“ Aber der Nachwuchs sei halt noch nicht so weit, dass er in Landowskys Schuhe schlüpfen könnte.
Bis nach elf Uhr sitzt der Fraktionschef am Tisch der Jungen Union. Dauert bei den Jungen die Überzeugungsarbeit länger? JU-Chef Kai Wegner zuckt mit den Schultern. „Anders als manche Alten haben wir kritische Fragen gestellt. Die sind jetzt geklärt.“ Aber an Landowsky sägen wolle keiner. „Der hat doch den Generationenwechsel eingeleitet.“ Die anderen nicken still.
Dann ist Zapfenstreich. Frau Liepelt sammelt noch die CDU-Fähnchen aus den Grünpflanzen. „Die benutzen wir noch mal.“ Sie lächelt. „Wir sind sehr sparsam.“ JULIA HARBECK
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