: Sensation unter Haushaltsvorbehalt
■ Kultursenator Bernt Schulte (CDU) lud gestern die Bremer Theater zum Kulturentwicklungsgespräch. Nach der kurzfristigen Wiederausladung des Musicalchefs entwickelte sich daraus eine weitgehend harmonische Veranstaltung
Im Jahr 2010 wird (vielleicht) alles gut. Denn dann ist Bremen (vielleicht) Europäische Kulturhauptstadt, und dann ist auch Kultursenator Bernt Schultes (CDU) Kulturentwicklungsplan nicht mehr gültig. Der Entwurf, den Schulte jetzt spartenweise diskutieren lässt und im Sommer zum kulturpolitischen Opus magnum der nächsten neun Jahre vollenden will, entsteht nämlich unter den Vorzeichen der Haushaltsnotlage. Und da schlägt man schon mal Kapriolen.
Zumindest bis Ende 2003 will die große Koalition mehreren Absichtsbekundungen zufolge den Kulturetat von 133,8 Millionen Mark nicht weiter direkt kürzen. Wenn das Parlament das voraussichtlich Ende dieses Jahres beschließt, kommt der Sparzwang in Form von Tarifsteigerungen „nur noch“ durch die Hintertür. Trotzdem sprach Schulte gestern von einer „Haushalts-Deckelung“ und bezeichnete sie zunächst als Sensation.
Wenig später erinnerte er sich jedoch an seine alte Forderung nach einem Anteil des Kulturetats am Gesamthaushalt von drei Prozent und bemerkte: „133,8 Millionen Mark entsprechen zwei Prozent. Ich wünschte mir drei Prozent und habe das auch immer gefordert. Aber ich finde zwei Prozent besser als anderthalb Prozent.“ So steht die Sensation unter Haushaltsvorbehalt.
Dabei wollten die Damen und Herren KulturplanerInnen diesmal und einmal nicht über Geld im Allgemeinen und die Höhe der Kulturförderung im Besonderen, sondern über Inhalte reden. Der Plan ging auf, nahm der Debatte, die sich gestern um die Bremer Theater rankte, aber das Feuer.
Den Hauptkonfliktpunkt hatte man vorher weggekungelt. Schulte (oder wer auch immer) wollte eigentlich den Musicalchef René Meyer-Brede aufs Podium einladen, doch die organisierte Theaterszene formulierte Protestbriefe. Das Musical gilt in ihren Augen nicht als Kulturstätte wie jede andere. Das Briefeschreiben hatte Erfolg. Meyer-Brede wurde wieder ausgeladen. In einer gesonderten Veranstaltung soll das Thema Musical und Kulturförderung des Wirtschaftsressorts be- und wohl auch verhandelt werden.
Also saßen VertreterInnen der darstellenden Künste gestern relativ einträchtig zusammen. Vom Schnürschuh- über das Waldau- und das Junge bis hin zum Bremer Theater durften sich alle kurz vorstellen. Und wie es bei Selbstdarstellungen ist: Sie fallen gut aus. Kaum jemand, der nicht überregional oder sogar international bedeutend ist. Keiner, der nicht zur Verbesserung der Lebensqualität der Stadt beiträgt. Und so hangelten sich Lob und Kritik an Schultes „Rahmenplan für die Kulturentwicklung in Bremen“ auch daran entlang, wie eben dieser Plan das berücksichtigt.
„Vier Zeilen zum Thema Tanz: Das wird der Sparte nicht gerecht“, urteilt die künstlerische Leiterin des gerade laufenden Festivals Tanz Bremen. Ellen Kraft, die Dramaturgin des Bremer Tanztheaters, lobt immerhin, dass sich der Plan durchaus zum Tanztheater bekennt. Waldau-Theater-Intendant Michael Derda ist's auch ganz zufrieden. Der Leiter des Theaters 62, Michael Wenz, hält seine Märchenbühne dank zahlreicher Auslandstourneen unter anderem mit den „Bremer Stadtmusikanten“ für einen Standortfaktor und vermisst folglich Unterstützung durch den Kulturentwicklungsplan und die Bremen Marketing Gesellschaft. Schon gibt's von anderer Seite wieder freundlichere Worte. Ergebnis: unentschieden.
Die eigentlich sehr gut und manchmal auch bis in die Spielplangestaltung eng zusammen arbeitenden Bremer Theater gehen kollegial miteinander um. Theater- und Kulturmenschen sagen einander öffentlich nichts Böses nach. Das ist anständig. Und das ist laut Klaus Pierwoß, Intendant des Bremer Theaters, auch sinnvoll: „In anderen Städten hat der Kampf um Subventionen dazu geführt, dass sich die Theater befetzen.“
Aber was soll dann ein Kulturentwicklungsgespräch, wenn es nichts zu besprechen gibt? Und wenn bei der vorherigen Verständigung, nicht allzu laut über das Geld zu reden, der Konfliktstoff fehlt? Der Dramaturg Uli Fuchs hat dazu eine Meinung. In sinngemäßer Zusammenfassung seines Beitrags haben die vielen AutorInnen des Kulturentwicklungsplans und die Kulturabteilung ihre Hausaufgaben nicht gemacht: Fuchs fehlen Angaben zur Profilbildung zum Beispiel des Bremer Theaters oder des Waldau-Theaters. Kurz: Visionen und Utopien.
Dem Vernehmen nach wurde im mehrfach umgeschriebenen Kulturentwicklungsplan ziemlich viel herumgestrichen. Dabei verschwanden nicht nur jede Menge Hinweise zur überregionalen oder gar internationalen Bedeutung vieler Institutionen, sondern auch die Sparte Musiktheater. Die wird neben anderen wohl wieder im Plan auftauchen. Vielleicht findet auch die Kritik Carsten Werners (Junges Theater) Gehör, dass Doppelangebote im Gegensatz zu einer Aussage des Kulturentwicklungsplans doch sinnvoll sein, weil TheaterproduzentInnen sich aneinander messen müssten.
In der gegenwärtigen Fassung halten nicht wenige Leute die Lektüre des Plans für verzichtbar. „Immerhin kommt das Wort Kunst im vierten Absatz vor – das ist keine Selbstverständlichkeit. Ansonsten liest sich das wie der Beipackzettel einer Apotheke“, meint Theaterkritiker und Weser-Kurier-Redakteur Rainer Mammen. Der Plan sei ein Behördenpapier – und von Bürokratien könne man keine Visionen und Utopien erwarten.
Kommen wir also zu den wichtigen Dingen. Moderatorin Christine Krause: „Herr Pierwoß, sagt man nun Theater am Goetheplatz oder Goethetheater?“
Christoph Köster
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